Playoffs!
Für die einen ist es eine Tradition – für die anderen eine Demütigung. Die Houston Texans (10-6) eröffnen zum sechsten Mal in neun Jahren (!) die NFL Playoffs am Samstag um 22.35Uhr gegen die Buffalo Bills (10-6); die New England Patriots (12-4) haben zum ersten Mal seit zehn Jahren kein Freilos in der ersten Runden und erwarten die Tennesse Titans (9-7). Heuer haben wir heute sogar ein Patriots-Special: Bill O’Brien als Texans-HC; Mike Vrabel als Titans-HC und Brian Daboll als Bills-OC haben alle viele Jahre unter Belichick gelernt.
Für die Offseason also mal mitnehmen: stimmt die Erzählung noch, daß alle Ex-Pats-Coaches nur verkacken, sobald sie Boston verlassen? Vielleicht kann eine andere beliebte Fabel dann noch gleich mitgeprüft werden: zum dritten Mal in vier Jahren hat die AFC East zwei Mannschaften in den Playoffs – sind die Pats wirklich nur so gut, weil ihre Division so schlecht ist? Bis zu den beiden AFC Championship Games der Jets 2009 und 2010 wollen wir dabei gar nicht erst zurückgehen. Aber nicht heute. Hier zu den Spielen.
[5] Buffalo Bills (10-6) @ [4] Houston Texans (10-6)
In den angesprochenen fünf Wild-Card-Eröffnungen der Texans seit 2011 haben sie mit fünf verschiedenen Quarterbacks gespielt, DeShaun Watson ist der erste, der eine zweite Chance bekommt. Die anderen QBs: T.J. Yates, Matt Schaub, Brian Hoyer, Brock Osweiler. Und nur einer hat verloren! Dieser eine Verlierer wird später heute noch dabei sein als Back-up von Tom Brady: Brian Hoyer.
Der letzte Sieg, 07. Januar 2017, wurde angeführt vom Brockstar! Gegner damals waren die Oakland Raiders, bei denen Connor Cook bei seinem ersten und bisher einzigen Start in der NFL völlig hilflos war: 18 von 45, 161 Yards, 3 Interceptions.
Die Linie, die man von diesem Sieg vor drei Jahren zum heutigen Spiel ziehen kann, ist die zum Brockwilder 2.0: Josh Allen. So wie auch Osweiler kann Allen “make every throw”. Problem nur, daß er es zu selten macht. Aber wenn er mit dem richtigen Fuß beim morgendlichen Aufstehen auf ein vierblättriges Kleeblatt tritt, kann auch er ein Playoffspiel gewinnen. So ungewöhnlich ist das auch gar nicht. Mitchell Trubisky und Blake Bortles sind sehr ähnliche Typen, und auch diese beiden haben in den letzten beiden Jahren Playoffspiele gewonnen oder haben zumindest am Sieg ge-doinkt.
Was zum passen für diesen Fall? Erstens muß die Defense das Spiel knapp halten und zweitens muß der OC eine Handvoll geniale Spielzüge zur richtigen Zeit ansagen.
Der Part mit der Defense ist hier durchaus machbar. Buffalo hat eine der smartesten Verteidigungen der NFL. Jeder Spieler weiß, was er wann zu machen hat und setzt das meist auch spielerisch solide um. Hört sich simpel an, ist aber in der NFL tatsächlich recht selten. Die Defense ist nicht sonderlich komplex; und fast alle Stammspieler sind seit drei Jahren in HC Sean McDermotts System. Die Kontinuität im Kader ist natürlich so gewollt und zeigt das gute Auge und vor allem die gute Entwicklungsarbeit von McDermott; ist aber auch glücklich natürlich: kein wichtiger Verteidiger Buffalos ist auf IR.
Besonders die Mitte sticht spielerisch heraus: die jungen Matt Milano und Tremaine Edmunds sind kluge und schnelle Linebackers; Jordan Poyer und Micah Hyde dahinter zwei sehr smarte Safeties. Auch in der Linie liegt die Stärke in der Mitte: #97 Jordan Phillips, #98 Star Lotulelei sind zwei mehr als solide Stammspieler; #94 Corey Liuget ist seit Mitte der Saison dringend benötigte Hilfe gegen den Lauf – auch weil 1st-rd pick Ed Oliver sich noch schwer tut.
Schwer tut man sich auch mit dem Pass Rush, die einzige echte Schwachstelle in der Defense. Jerry Hughes, Lorenzo Alexander und Shaq Lawson machen einem Laremy Tunsil keine Angst.
Punkstück der Defense ist natürlich Cornerback Tre’Davious White, einer der besten der Liga. Sein Gegenüber Levi Wallace geht aber angeschlagen ins Spiel. Interessant wird hier sein, ob White Nuk Hopkins im 1-gegen-1 verteidigen wird. So gut White auch ist, sollte das für viele Snaps eher unwahrscheinlich sein. Denn McDermotts Priorität ist das Verhindern von Big Plays. Keine Defense hat weniger Big Plays zugelassen als die Bills. Buffalo ist auch in diesem Punkt den Patriots sehr ähnlich: Kluge Spieler, große Kontinuität, Big Plays verhindern. Und beide sind damit sehr erfolgreich.
Was setzt Houston dagegen? Passenderweise eine Offense, die von Big Plays lebt. Es ist schon fast vergessen, aber bevor es 2019 Lamar Jackson und 2018 Pat Mahomes gab, gab es 2017 DeShaun Watson. Auch Watson kann jederzeit einen Zauberpaß aus der Hüfte feuern und hat mit Hopkins und Will Fuller auch gute Artisten an seiner Seite, aber rund sieht das alles nicht aus.
Bill O’Brien schafft es nicht, einen runden, gut funktionierenden Paßangriff auf die Beine zu stellen. Seit geschlagenen drei Monaten hat diese Offense kein Spiel mit mehr als 300 Passing Yards zustande gebracht. Das ist mit diesem Talent in der NFL 2020 ein Armutszeugnis.
Houstons Offense beginnt mit dem Laufspiel – und wenn man nicht gerade Greg Roman oder Kyle Shanahan als OC hat, ist das keine gute Idee in der modernen NFL. Carlos Hyde und Duke Johnson machen das zwar ganz passabel, aber wenn ich ein Talent wie DeShaun Watson habe, dann baue ich doch die Offense um ihn herum? Oder? Ja, Grüße gehen raus an Russel Wilson und Dak Prescott.
Das ist in Houstons Offense alles Stückwerk. Hopkins wird als besserer Anquan Boldin mißbraucht, Will Fuller bekommt ab und zu mal einen Deep Shot und Kenny Stills fragt sich, warum er nicht mehr Targets bekommt, wenn man ihn schon so teuer eingekauft hat. In der Redzone ist dann sogar der 33 Jahre alte Darren Fells die gefährlichste Waffe. Ja: da kommt hier und da immer mal wieder ein schöner Spielzug bei raus; aber anstatt die starken einzelnen Puzzleteile mit Plan zu kombinieren, wirft BOB diese durcheinander auf den Tisch und freut sich, daß sie so schön glänzen.
Heute könnte BOB damit sogar durchkommen, denn gegen die Loose Cannon Josh Allen können schon zwei schöne Designer-Shot-Plays zum Sieg reichen.
Das ist wahrlich Not gegen Elend, wenn Buffalo den Ball hat. Oben angesprochen: Houstons Offense hat seit Anfang Oktober kein Spiel mit mehr als 300 Passing Yards gehabt. Buffalos Offense? Hat die ganze Saison über noch kein Spiel mit mehr als 300 Yards gehabt. In den letzten vier Spielen combined 57 Punkte gemacht. So kommen die hier heute reingehumpelt.
Dieses Elend allerdings trifft heute die blanke Not in Houstons Defense. In korsakoffs Power Ranking sind die Texans auf Platz 27 der Verteidigungen. In der Secondary schleicht der 35-jährige Jonathan Joseph über’s Feld, ist Bradley Roby mit $10 Mio überbezahlt; und die beiden jüngsten 1st-rd picks Gareon Conley und Vernon Hargeaves beweisen, warum sie von Oakland bzw. Tampa mitten in der Saison aussortiert wurden.
Der einzige Spieler, der das Beobachten lohnt ist der monströse Defensive Tackle #98 D.J. Reader, der für seine Masse überraschend beweglich ist. Einigermaßen gefallen tun ansonsten noch die langen Linebackers #55 Bernardrick McKinney und #41 Zach Cunningham. Falls Buffalo gewinnt, können wir uns nächste Woche nochmal genauer mit Smoky Brown und dem unkaputtbaren Frank Gore beschäftigen, aber wenn sie verlieren, haben wir auch nichts verpaßt.
Eins vielleicht noch. Die lebende Legende J.J. Watt soll nach Wunderheilung jetzt schon zurückkehren. Eigentlich unvorstellbar, daß ein gerissener Brustmuskel (!) nach nur neun Wochen (!!), geheilt sein soll. Aber so könnte sich der Kreis passenderweise an einer Playoff-Eröffnung schließen: Januar 2012 spielte er sich mit grandioser Performance und Pick-6 gegen die Bengals ins Rampenlicht; Januar 2016 spielte er mit fünf gerissenen Muskeln (WTF?!?) in Leiste und Beinen und war danach körperlich ramponiert und nie mehr derselbe. Dazwischen lagen drei Defensive Player of the Year Titles und der dominanteste Verteidiger, den wir in der letzten Dekade bestaunen durften.
Gewinner heute: völlig offen. Nach korsakoffs Power Ranking und Wettbüros ist Houston mit 2,5 Punkten favorisiert, also fast genau dem 3-Punkte-Heimvorteil. Es ist Josh-Allen-Kann-Nicht-So-Recht gegen DeShaun-Watson-Darf-Nicht-So-Richtig. In solchen engen Kisten gilt wie immer: es entscheiden Big Plays, Penalties und Special Teams. Wir sollten uns hier alle aber einen Bills-Sieg wünschen; denn in Baltimore nächste Woche wäre die Texans-D nach drei Drives Kleinholz.
[6] Tennessee Titans (9-7) @ [3] New England Patriots (12-4)
Andere Mannschaften würden sich freuen, dürften sie ein Playoffspiel zu Hause ausrichten. Für die Patriots ist es der zweite Teil der Demütigung, die letzte Woche begann mit der Heimniederlage gegen die Tank-for-Tua-Dolphins. Oh, achso? Tua ist gar nicht mehr der unhinterfragbare Nr.1 pick in dieser Draft? Wie die veröffentlichte Meinung sich manchmal so schnell dreht….
Ähnlich ist es ja auch bei den Patriots. Aus Wunderopa Tom Brady macht jetzt jeder, der weiß was ein =SVERWEIS ist, einen grandios überschätzten Quarterback, der seinem Ruf nur noch hinterherläuft. Ach nee, das ist ja Aaron Rodgers.
Nochmal neu, richtig ist natürlich in der veröffentlichten Meinung: Stephon Gilmore ist derjenige, der völlig überschätzt ist. Hat man ja letzte Woche gegen DaVante Parker gesehen. DPOY? Daß wir nicht lachen.
Da hat sich Herr Belichick wohl schön verspekuliert, dieser langweiligste Mann seit Erfindung der NFL. Ach nee: seit den NFL-Top-100-Sendungen ist er ja das beste, was dem Fernsehen je passiert ist.
Oh je. Welche Narrative stimmen denn überhaupt noch?
Ich will mich darüber gar nicht lustig machen. Diese Beispiele zeigen eher, was das geile an der Entwicklung “des Internets” ist, wo wir jetzt in die “Neuen 20er Jahre” einsteigen.
- Zugang zu Informationen, die bisher nicht sichtbar oder zugänglich waren
- Fragmentierung des “Storytellings”
Vielleicht zweites zuerst: in diesem obskuren “Früher” haben nur eine Handvoll Leute, die Zugang zu Spielern, Trainern und Öffentlichkeit hatten, die Erzählung bestimmt: Die Purple People Eaters waren die krasseste Linie, die die Welt je gesehen hat. Don Coryell hat ganz alleine den Paßangriff revolutioniert. Die West Coast Offense wurde überhaupt erst die “West Coast Offense”, weil einem Schreiberling kein besserer Begriff eingefallen ist.
In der Geschichtsschreibung ist es nicht anders: Bismarck hat die Deutsche Nation mit Blut und Eisen geschmiedet. Daß dabei noch ganz viele andere Faktoren reingespielt haben, daß viele andere Menschen wichtige Entscheidungen getroffen haben, daß diese Entwicklung nicht zwangsläufig war. Daß natürlich auch Glück mit reingespielt hat. Daß kann man sich vielleicht alles in Oberseminaren am Historischen Institut seiner Wahl anhören. Aber weitergetragen in den Erzählungen von Opa und den Geschichtsstunden des ZDF wird eben nur diese eine plumpe Erzähllinie: Bismarck mit Blut und Eisen.
Daß Grandiose jetzt ist, daß ich nicht mehr auf das ZDF oder ESPN alleine angewiesen bin. Stattdessen habe ich durch das Internet Zugang zu einer Masse an Informationen und Erzählungen, die noch bis vor wenigen Jahren unvorstellbar war.
Beispiel Aaron Rodgers. Erstens kann ich mir alle Spiele von Aaron Rodgers anschauen. Klingt heute völlig normal, war aber bis vor wenigen Jahren nicht möglich, geschweige denn All-22. Als ich angefangen habe Football zu schauen, habe ich immer gehofft, daß die Denver Broncos oder die Greatest Show on Turf am Montag das Spiel der Woche im DSF waren, ich war abhängig von den Launen anderer. Auch kann ich heute nicht nur die USA Today vom Bahnhofskiosk lesen und den Videotext von CNN, sondern Analysen von allen nur denkbaren Beobachtern und Experten: von Fernsehopas über lokale Beatwriters über Sports-Illustrated-Taktikexperten bis hin zu nerdigen Fanblogs und daneben auch noch Greg Cosell zuhören. Und dann kommt jetzt noch die “Datenrevolution” dazu: wo früher nur die Storyteller über das Gesehen geschrieben haben, bekommt man jetzt über quantifizierbares Wissen noch viele weitere Perspektiven auf die Spiele und Spieler.
Kein normaler Mensch kann mir erzählen, daß Ryan Tannehill ein besserer Quarterback ist als Aaron Rodgers. Aber gerne lasse ich mir zeigen, daß und wo genau Tannehills Ergebnisse in dieser Saison effizienter waren als Rodgers’. Das schließt sich nicht aus. Das geile am Internet ist, um den Kreis hier zu schließen, daß ich viel mehr verschiedene Perspektiven auf ein Thema habe als jemals zuvor. Und das ist einfach nur grandios. Am glücklichsten wird man, wenn man sich das zunutze macht – also ein interessantes Thema aus möglichst vielen verschiedenen gut argumentierten Perspektiven betrachtet; unglücklich wird man, wenn man nur versucht, recht zu haben. Also eigentlich wie immer im Leben.
Natürlich halten sich auch heute noch eindimensionale Erzählungen, wie beispielsweise der gerade wieder aufgewärmte Quatsch, daß Marshawn Lynch damals hätte laufen sollen. Aber mitterweile bekommen auch die Gegenstimmen ihren Platz. Und natürlichen nervt vieles an der „Hot Take Culture“ und den allgegenwärtigen Knee Jerk Reactions. Aber das sind nur Begleiterscheinungen einer insgesamt fantastischen Entwicklung.
Damit willkommen in 2020 und zurück zum Spiel. So gut die Zahlen von Ryan Tannehill auch aussehen, ein Wert sticht seltsam negativ hervor: Sack Rate von 10%. Jeder zehnte Dropback ein Sack. Das darf er sich gegen NE nicht erlauben. New England hat keine besonders gefährlich Pass Rushers, aber sie generieren viel Pressure durch Coverage. Sie haben in Gilmore, Jon Jones, J.C. Jackson und Jason McCourty das beste Cornerback-Corps der NFL (wenn auch McCourty und Jones mit langwierigen Leistenleiden angeschlagen sind). Hinten patroullieren die klugen Safeties Duron Harmon und Devin McCourty sehr aufmerksam; und Pat Chung kümmert sich sehr patent um die gegnerischen Tight Ends.
Sie spielen dabei oft eine sehr aggressive Deckung mit vielen Spielern an der Line of Scrimmage. Sie blitzen dabei mehr als die meisten anderen Teams, haben aber meist auch ein oder zwei Spieler, die sich nach dem Snap zurückziehen und eine Zone bewachen. Relativ ungewöhnlich ist die Taktik, Linebackers und auch Defensive Linemen auf die OLine zu schicken, sich dann aber nach drei, vier Schritten und dem ersten Kontakt wieder fallen zu lassen in die Gegenden kurz hinter der LOS, welche von Paßangriffen mit horizontalen Routen attackiert werden. Diese horizontalen Routen – Drag Routes, Shallow Crosses und das angesagte Mesh Concept – sind in Man Coverage kaum zu verteidigen, daher ist der “Robber Safety”, wie ihn einst Kam Chancellor unnachahmlich gespielt hat, derzeit auch steter Gast auf jedem NFL-Spielfeld; die zurückfallenden Spieler eine Ergänzung dazu.
Das mit den sich fallenlassenden Pass Rushers funktioniert für New England so gut, weil sie so vielseitige Linebackers haben. Dont’a Hightower, Kyle Van Noy, Elandon Roberts und Jamie Collins können alle ebenso Pass Rush wie auch Sich-klug-in-den-Weg-Stellen. Diese Taktik macht es dem Quarterback sehr schwierig zu erfassen, welcher Verteidiger gerade welche Aufgabe hat, also ob beispielsweise Hightower jetzt gerade zum Pass-Rush-Move ansetzt oder ob das Zögern und Armgefuchtel schon der Rückzug ist. Der furchtlose Ryan Fitzpatrick hatte viel Erfolg mit Slants, die weit außen gestartet sind, also das “Throwing Window” außerhalb der “Box” war. Das könnte auch ein Mittel für den bulligen A.J. Brown sein. Oder eben New Englands Countermove: eher Richtung Flat zu droppen, statt hinter die Linie.
Das Ziel für die Defense ist klar: den schnellen, kurzen Wurf verstellen. Und hinten auf die gute Man-Coverage vertrauen. Weil die Coverage so gut ist, kann man viel blitzen. Blitzen verleitet QBs oftmals zu schnellen Entscheidungen: kurze Würfe. Es ist in Kreis, der mit der Coverage hinten beginnt und idealerweise mit dummen Entscheidungen und ungenauen Würfen des QBs schließt.
Wenn die Paßverteidigung diese Saison mal Schwächen hatte, dann gegen furchtlose QBs, die sich selbst alles zutrauen: Fitzmagic, Mahomes, Watson. Kann auch Tannehill heute die Nerven bewahren? Unwahrscheinlich, aber nicht ausgeschlossen, schließlich kommt er hier mit viel Selbstbewußtsein und Vertrauen in sein System rein. Man sollte übrigens auch nicht vergessen, daß Belichick und die Pats Tannehill sehr gut kennen: 11 Mal hat man ihn in der AFC East gespielt. Sacks dabei übrigens: 37.
Ab vom Quarterback das wichtigste hier für New England: sicheres Tackling. A.J. Brown und Derrick Henry sind extrem schwer runterzukriegen. Wobei hier auch das Wetter noch eine Rolle spielen dürfte. Angesagt ist schwerer Niederschlag; bei Nässe wird das Tackling noch schwieriger. Schlüssel Nr. 2: Big Plays nach Play Action verhindern. Derrick Henry kann gerne 30 Mal für 120 Yards laufen, aber niemand darf an Harmon oder McCourty vorbei.
Auf der anderen Seite mußte die Patriots-Offense sehr oft die Belichick-Medizin schlucken: wir nehmen dir weg, was du am besten kannst. Das heißt gegen die Pats: Edelman doppeln und James White mit einem Defensive Back verteidigen.
In den letzten Jahren haben die Patriots bis Thanksgiving immer allerhand ausprobiert um dann ab Mitte November ihre “Identität” gefunden zu haben. Letzte Saison starker Fokus aufs Lauspiel aus 21-personnel; 2018 viele tiefe Pässe auf Brandin Cooks und Chris Hogan; davor extrem viel Spread mit 11-personell und Gronk an der Seitenlinie als WR. Und vieles mehr.
Sehr viel hat Josh McDaniels auch dieses Jahr schon ausprobiert, aber nichts funktioniert so recht. Plan war wohl weiter lauflastig aus 21. Dafür hat man sogar zu Saisonstart einen zweiten Fullback in den Kader geholt, den Deutschen Jakob Johnson. Natürlich haben sich dann beide Fullbacks verletzt! Daneben hat man auch Center David Andrews, Bulldozer Gronkowski und Left Tackle Trent Brown sowie dessen Ersatz Isaiah Wynn verloren. Old School Running Game hat also nicht funktioniert.
Dann hat man viel mit dem “Pony Package” herumexperimimentiert, also mit zwei echten Running Backs, Rex Burkhard auf der einen Sony Michel oder James White auf der anderen Seite. Das Laufspiel funktioniert so kaum, weil ohne FB und vernünftigen TE neben der dezimierten Linie das Blocking nicht funktionierte; das Paßspiel war auch nicht gefährlich, weil Sony Michel nicht mal einen Klumpen Sekundenkleber fangen kann.
Dann gab es Spiele, in denen Brady 40+ Mal werfen sollte, dafür waren dann aber die Receivers zu schlecht (und Edelman eben gedoppelt). Also hat man für einen teuren 2nd-rd pick Mohammed Sanu aus Atlanta geholt. Der hat aber das System nicht schnell genug verstanden und stand sich selbst im Weg. Zu allem Überfluß hat auch noch Mr Tom Brady himself sichtbar abgebaut und wirft Edelman lieber auf die Schnürsenkel statt in die Handschuhe.
Und nun hat man schließlich Linebacker Elandon Roberts zum Fullback umgeschult, läuft wieder aus 21 und versucht von allem anderen ein bißchen. Es ist schwierig.
Aber schwierig war es schon oft und fast immer haben McDaniels/Brady/Belichick eine Lösung gefunden. Wenn das mit dem Laufspiel um Roberts weiter so funktioniert wie in den letzten drei Wochen hätten wir schonmal einen Anfang.
Schritt zwei wäre WR N’Keal Harry öfter den Ball zu geben. Idealerweise spielt der breite Rookie die 2018er Rollen sowohl von Josh Gordon als auch Cordarelle Patterson. Also von Gordon die Slants und Comebacks an der Seitenlinie; von Patterson die End Arounds und Screens.
Wenn dann noch das Pony Package zumindest in 3rd Downs funktioniert; und wenn dann noch das altbekannte Bang-Play-Action wieder funktioniert. Und wenn Sanu durchsieht und Brady ihm vertraut. Und wenn vielleicht die No-Huddle-Offense endlich zurückkehrt…. Naja. Viele Wenns, aber das Potential ist durchaus da. Mit welchem Gameplan New England hier heute aufläuft, weiß wie immer niemand. Aber ein plötzlicher Ausbruch wäre weniger überraschend als ein weiteres Masterpiece von Tannehill.
Der Patriots-Fan macht sich Sorgen um die Zukunft, aber durch das ungehobene Potential in der Offense und die bockstarke Defense sieht er hier die Patriots mit mehr als den 3,5 bis 4,5 Punkten der Wettbüros und Power Rankings vorne.
Special Teams Special noch am Ende: das Wetter soll stürmisch und regnerisch werden (eventuell sogar Schnee, Temperaturen um den Gefrierpunkt). Und beide Mannschaften haben wackelige Kicker-Konstellationen.
Tennessees Kicker Greg Joseph hat noch kein einziges Field Goal versucht (!). Er ist erst seit zwei Wochen in Tennessee. Ganze drei Kicker wurden während der Saison aussortiert: Ryan Succop, Cairo Santos und Codey “Double Doink” Parkey. Ironischerweise sind auch die Patriots bei Kicker No.4 angekommen. Nachdem Stephen Gostkowski auch IR mußte, wurden Mike Nugent und Kai Forbath ausprobiert, bevor man nun bei Nick Folk angekommen ist. Besonders viel traut man ihm nicht zu, was aber den Vorteil hat, daß die 4th-Down-Entscheidungen aggressiver angegangen werden.
Grandioser Herrmann Artikel! Danke für die tolle Vorschau und den Exkurs zu den schnelllebigen Narrativen in Zeiten „des Internets“ . Hatte nicht auf den Autor geachtet aber ab „Brockstar“ klang das für mich nicht mehr nach korsakoff. 😂
Bin gespannt auf heute Abend und drücke den Bills sowie den Patriots die Daumen heute Abend! Tippe allerdings im ersten Spiel auf einen Sieg der Texans.
Das beste an den Playoffs sind die Previews. Wobei dieses Wochenende so spannend und interessant werden könnte wie die wenigsten Wildcard-Rounds zuvor.
Kleine Korrektur: Brian Hoyer ist diese Saison bei den Colts unter Vertrag gewesen.
Gerade nochmal deinen verlinkten Artikel zum Butler-Catch und dem Playcall gelesen:
“ Mit Pete Carrol haben sie auch einen der wenigen Head Coaches, der aggressiv spielt, um zu gewinnen, und nicht ängstlich, um nicht zu verlieren.“
Wie sich die Zeiten doch auch ein wenig ändern. Damals hätte ich Carrol auch als einen der stärksten Coaches gesehen, natürlich auch beflügelt durch den Teamerfolg. Heute wartet man fast schon auf seinen Rücktritt.
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Schöne Zusammenfassung!
Nur eine Sache:
„Vielleicht kann eine andere beliebte Fabel dann noch gleich mitgeprüft werden: zum dritten Mal in vier Jahren hat die AFC East zwei Mannschaften in den Playoffs – sind die Pats wirklich nur so gut, weil ihre Division so schlecht ist?“
Auch wenn es der Patriots-Fan nicht hören will – natürlich spielt die schwache Division eine Rolle. Man kann ja nicht ernsthaft die 2016 Dolphins oder 2017 Bills als starke Teams verkaufen. Beide waren katastrophal nach DVOA und sind nur durch sehr viel Glück und einfachen schedule in die Playoffs gerutscht.
Seit Anfang der 2000er haben weder Bills, Jets noch Dolphins einen upper-tier QB gehabt. Bis auf die Jets 2009-2010 war keines dieser Teams auch nur annähernd ernst zu nehmen in Bezug auf die Playoffs/Superbowl.
Trotzdem sind die Pats DIE Dynastie der letzten 20 Jahre, aber eine Fabel ist das trotzdem keinesfalls.
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https://www.nbcsports.com/boston/patriots/patriots-win-same-rate-vs-rest-nfl-they-do-vs-afc-east%3Famp&ved=2ahUKEwjFr9CIh-vmAhXI0qQKHUvKB9wQFjAAegQIAxAB&usg=AOvVaw06IVXhyXX8jsnUmquLE4Me&cf=1
Die Patriots haben gegen die eigene Division fast die gleiche Win Pct wie gegen den Rest der Liga. Dass die Patriots so eine gute Bilanz haben weil sie häufig gegen ihre eigene leichte Division spielen ist also schon ein Mythos.
@JoffreyG
Das habe ich ein bißchen nachlässig und pampig formuliert. Aber die Sache selbst ist schon ernstgemeint, auch mit ernstgemeintem Erkenntnisinteresse. Nach Siegen ist die AFC East sogar überdurchschnittlich. Ich weiß aber auch, daß Siege nicht die beste Metrik sind, um generelle Qualität zu messen. Vielleicht suche ich mit in der Offseason mal die Zahlen zusammen, DVOA oder EPA beispielsweise.
@Napoleon
Danke. Ganz verdrängt, daß er in der Preseason gegen den Rookie Stidham verloren hat.
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