Sie kippen!

Der Kulturkampf hat die NFL weiter im Griff. Letzte Nacht gab es eine Wende.

Gestern hatte eine Ansammlung aus prominenten Spielern wie Michael Thomas, Pat Mahomes, Deshaun WatsonOdell Beckham, Jarvis Landry, Nuk Hopkins, Stephon Gimore, Saquon Barkley oder Chase Young ein mächtiges 70-sekündiges Video veröffentlicht, in dem sie Rassismus und Zweite-Klasse-Gesellschaft für Schwarze anprangerten und mit dem Satz schlossen – „We will not be silenced“:

 

https://twitter.com/Cantguardmike/status/1268712743860928513

Die Botschaft konnte man auch als Reaktion auf das bittere Statement von QB Drew Brees über Respektlosigkeit gegenüber der US-Flagge verstehen [1][2]. Brees bekam in den Tagen darauf derart von Freund und Feind auf die Fresse, dass er sich zu nicht bloß einer, sondern gleich zwei Entschuldigungen, durchrang – einer erstmal windelweichen Entschuldigung von wegen „ihr habt mich falsch verstanden“ und dann einer deutlicheren.

Diese sollte natürlich nicht unbeantwortet bleiben: Es dauerte satte 28 Stunden, bis sich Donald Trump wieder aus seinem Bunker heraus traute und mit Bibel in der Hand genug Kraft getankt hatte um zum erwarteten Gegenschlag auszuholen.

 

Der Schuss vor den Bug für Brees und die NFL: Ihr müsst euch jetzt entscheiden!

Die Antwort aus der NFL stimmt hoffnungsfroh.

Brees reagierte heute Nacht mit einem offenen Brief an Trump:

 

https://www.instagram.com/p/CBE4y_9Hj2S/?igshid=7ejunv7ktpcn

Through my ongoing conversations with friends, teammates, and leaders in the black community, I realize this is not an issue about the American flag. It has never been. We can no longer use the flag to turn people away or distract them from the real issues that face our black communities.

We did this back in 2017, and regretfully I brought it back with my comments this week. We must stop talking about the flag and shift our attention to the real issues of systemic racial injustice, economic oppression, police brutality, and judicial & prison reform.

We are at a critical juncture in our nation’s history! If not now, then when?

We as a white community need to listen and learn from the pain and suffering of our black communities. We must acknowledge the problems, identify the solutions, and then put this into action. The black community cannot do it alone. This will require all of us.

Bäm. Einfach mal so eine jahrelang aufgebaute Beziehung zum Präsidenten zerschmettert. Es ist als ob Brees einen broken play im vierten Read doch noch per Completion angebracht hätte. Doch zu einem Preis: Trump wird ihm das nicht durchgehen lassen.

Wie las ich auf Twitter – das Brees-System:

  1. Bemoan protests
  2. Receive criticism
  3. Express remorse
  4. Educate self
  5. Sever ties with president

Brees‘ Erkenntnis kam spät, aber doch. Er ist der zweite wirklich prominente weiße Quarterback nach Aaron Rodgers, der damit den Stimmungsumschwung eingeleitet hat – in seinem Fall sogar seinen eigenen Stimmungsumschwung.

So verblüffend die Brees-Saga bleibt: Auch die NFL-Oberen reagierten noch in der Nacht und ließen Roger Goodell das bislang offenste Video – „we regret“ – verlesen. Goodell vermeidet es zwar den Unaussprechlichen zu benennen, doch auch ohne den verstoßenen Sohn ist es zumindest das erste Statement, in der die NFL eigene Fehler eingesteht:

 

Das hat es gebraucht: Weiße Dominosteine mit einigermaßen selbstkritischen Botschaften. Nun bleibt natürlich weiter abzuwarten wie es weitergeht.

Wird die NFL diese Öffnung dafür nutzen, die Schwarzen mit kleinen Gesten abzufrühstücken, aber das wirklich wichtige – den Knieprotest und Sendung politischer und gesellschaftlicher Botschaften – weiter unterdrücken?

Wird sie Kaepernick einen Job geben, vielleicht sogar in New England? Wird sie sich wirklich mit Trump anlegen und dem Risiko von wirtschaftlichem Schaden aussetzen?

Oder meint man es diesmal wirklich ernst und wird belohnt, weil die öffentliche Stimmung eh kippt und Trump dann in einem halben Jahr weg vom Fenster ist, weil seine Macht doch nicht für den Staatsstreich reicht?

16 Kommentare zu “Sie kippen!

  1. Respekt. Dieser Brief von Brees ist stark. Da hat sich jemand die letzten Tage wirklich hingesetzt und reflektiert, evt auch Gespräche mit schwarzen Mitspielern geführt und da vor allem zugehört und hat so ein diesmal wirklich glaubwürdiges Statement rausgehauen. Sehr schön 🙂 Zeigt auch, dass der Mann wirklich was in der Birne hat!

  2. Ja, stark von Brees. Bin halt erstaunt, daß er erst JETZT nach 20 Jahren im Locker mit all den schwarzen Teamkameraden, umdenkt. Zeigt wohl wie stark der systematische Rassismus Bias ist.

    Daß die NFL umdenkt, glaube ich aber erst wenn Kaepernick die Pats in Woche 1 quarterbackt 😀

  3. @Flo: Kaepernick als QB wird man in der NFL nicht mehr sehen. Der Zug ist abgefahren.

    Es wäre aber eine tolle Sache, falls ihn die NFL als Gleichberechtigungsbeauftragten oder Botschafter einstellen würde.

  4. Ich war ’97/’98 für ein Jahr in USA auf der High School… In Delaware… Ostküste… „The First State“… Ja, es war ein ländliche Gegend, keine Großstadt… Aber auch keine Südstaaten / Bible Beltz oder mittlerer Westen… Und trotzdem gab es zwei erschreckende Erkenntnisse damals… Zum einen war es der absolut fehlende Blick über die USA hinaus… Da gibt es Russland und China, Mexiko und Kanada und evtl. noch Australien… Ich wurde ernsthaft gefragt, ob wir in Deutschland Autos, Strom oder Kühlschränke hätten… Zum anderen war es der offen gelebte Rassismus im Alltag… Es gab zwar keine offizielle Trennung zwischen Schwarzen und Weißen, aber nichts desto trotz gab es außerhalb vom Sport keine / kaum Kontaktpunkte… Beim Mittagessen in der Schule saßen Schwarze und Weiße getrennt… Ebenso im Unterricht und im Schulbus… Alles nicht offiziell aber dermaßen tief eingebrannt in den Köpfen, dass es völlig „normal“ für alle war… Und das war die Generation, die jetzt selbst Kinder großzieht und genau diese Gedanken / Überzeugung an die nächste Generation weiter gibt… So sehr ich an Veränderung glauben will, so schwer fällt es mir zu glauben, dass sich wirklich dauerhaft und tiefgreifend etwas ändert… Aber genau deshalb ist es jetzt wichtig, dass es eben diese Unterstützung von weißen Persönlichkeiten gibt und das Ganze am Laufen gehalten wird…

  5. Pingback: NFL Commissioner Goodell: Es war falsch, den Spielern nicht zuzuhören - Österreichs Football Portal

  6. Warum sollte Kaep Geschichte sein?

    Dass er es sportlich nicht mehr kann, wissen wir erst wenn er wieder in einer Mannschaft ist, bis dahin ist alles Spekulation.

    Akiem Hicks hat bsp gesagt, daß er sich nicht getraut hat zu knien aus Angst vor seinem Job, und der Umgang mit Kaep hat ihn in seiner Furcht nur bestätigt. Diese Leute trauen sich jetzt das zu sagen was sie jahrelang den Job gekostet hätte.

    Ergo: Kaep wäre in vielen Locker Rooms sofort eine respektierte Führungsfigur, und sportlich ist die NFL heute auch weiter solche mobilen QBs einzusetzen. Kaep ist der beste QB der mit so jungem Alter jemals keine Chance mehr bekommen hat ohne Injury Concerns!

  7. Naja, ich halte das auch für sehr unwahrscheinlich, dass er nochmal spielt. Wie lange ist das jetzt her, drei Jahre? Ich denke auch, dass er selbst das Risiko für zu hoch halten könnte. Denn was würde passieren, wenn er dann wirklich nicht mehr so gut spielt, wie früher? Würde das nicht auch seine Sache beschädigen, in dem Sinne, dass einige sagen könnten, er hat es ja wirklich nicht mehr drauf gehabt?

  8. Wenn Kaep noch halbwegs in Form ist wäre er sofort ein Top 5 Backup QB und vermutlich auch besser als 4-5 Starter. Wenn Kaep bspw. so billig ist wie Winston ist das für viele Teams sportlich eigentlich ein No Brainer. Backup QB in Seattle ist Geno Smith…. Pats haben eine große Baustelle, Bears haben sogar gleich zwei sehr schlechte Starter…

  9. @dash24x7

    Für die Amis gibt’s nur usa und Kanada, selbst
    Russland das Reich des bösen ist bei ihnen völlig unbekannt. Zum Rassismus den gibt es wohl überall das es in den USA viele gibt die schwarze nicht mögen ist ja nichts neues,
    Trotzdem sehe ich die aktuelle Situation nicht zu extrem, die Lage hat sich auch schon etwas beruhigt da drüben. Sobald die Football season wieder anfängt werden die Amerikaner wieder vereint an einer Seite stehen.

  10. Aus Liebe zum Sport würde ich mir nichts mehr wünschen, als dass bis zum Saisonstart, die Amerikaner vereint (!) an einer Seite stehen… Aber so tief wie der Rassismus verwurzelt ist (in Schichten, Regionen und Menschen), glaube ich nicht daran, dass es so schnell geht, bis sie vereint stehen… Ich glaube nicht, dass es unmöglich ist, aber es ist ein langer und schwieriger Prozess… Und ich weiß nicht, ob eine kurzfristige Beruhigung der Lage hilfreich ist… Ich meine damit nicht, dass die Proteste gewalttätig bleiben sollen, aber ruhig dürfen sie auf keinen Fall werden, da sich sonst wenig ändert und es wieder weiter geht wie bisher…

    Auf der anderen Seite sehe ich ein „vereint stehen“ nicht als Voraussetzung, dass die Saison gespielt werden kann… Dafür zahlt die NFL für viele zuviel, als dass sie darauf verzichten könnten und nicht ihre Überzeugung hinten anstellen könnten…

  11. @Dash: Exakt, eine Beruhigung und seichtes Auslaufen der Bewegung würde langfristig niemandem helfen. Zum Glück gibt es noch diesen orangefarbenen Agressor, der mit seinen kleinen Händen täglich kübelweise Öl aufs Feuer kippt.

    Wenn es richtig blöd läuft, kriegen die Amis ihre lügende Büchse der Pandora allerdings nicht mehr zu: Sollte Trump der Wahlausgang nicht passen, kann er sich weigern, das Ergebnis anzuerkennen. Sollte es deshalb auf ein Urteil des Supreme Courts hinauslaufen, sitzen dort in der Mehrheit Trump-freundliche konservative Richter.
    Diese Infos kommen von Spiegel Online und klingen nicht unrealistisch. Sollte es so kommen, brennen die USA lichterloh.

  12. Pingback: Next up: Baker | Sideline Reporter - Eier, wir brauchen Eier!

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