Salary Cap Floor und die Probleme, die er mit sich bringt

Vorgestern hat Seminole in ihrem Kommentar das Problem des „Salary Cap Floor“ angesprochen. Es handelt sich hierbei um eine Klausel im NFL-Tarifvertrag, der den Teams zuschreibt, eine gewisse Mindestkapazität des Gehaltsbudgets ausnutzen zu müssen. Damit werden zwei primäre Ziele verfolgt:

a) Die Spieler sollen einen möglichst großen Teil vom Umsatz-Kuchen abbekommen.
b) Die Teams aus den kleinen Märkten (z.B. Cincinnati, Buffalo, Jacksonville) sollen gezwungen werden, das Geld zu reinvestieren, anstelle es möglicherweise zu behalten, um die im Verhältnis zu Dallas/Washington kleineren Umsatzpotenziale auszugleichen.

Dabei handelt es sich um keine neue Idee.

Für das sich aktuell in Ausarbeitung befindliche Collective Bargaining Agreement zwischen NFL und NFLPA sind seit Wochen folgende Zahlen im Gespräch: Die Gehaltsobergrenze („Salary Cap“) wird 48% betragen und die Mindestauslastung der Gehaltsobergrenze („Salary Cap Floor“) davon „mindestens“ 90%, aber die jüngste Entwicklung scheint eher in Richtung von 95-96% zu gehen. Sprich: Die Teams wären gezwungen, mindestens ca. 46,5% ihrer Umsätze an die Spieler auszuschütten. Zum Vergleich: Bis 2009 waren es rund 87% des Salary Caps.

Kurz nachgerechnet: 2011/12 sollen runde 9 Milliarden US-Dollar eingenommen werden. Macht eine Gehaltsobergrenze von (ca. 9 Mrd. * 0,48)/32 von runden $135 Mio., was ein leichtes Upgrade gegenüber den 128 Mio. von 2009/10 wäre. Kompliziert wird es, wenn die Mindestauslastung tatsächlich um die 95% liegen würde. Wir hätten in dem Fall (9 Mrd. *0,465)/32 = ca. $130 Mio., die jedes Team für Spielergehälter ausgeben müsste. Ein sagenhafter Spielraum von 5 Mio. Dollar.

Also gilt: Salary Cap Floor ———-> Salary Cap.

Die Quellenlage

Schauen wir uns die Gehalts-Strukturen von 2010/11 an (2010/11 gab es keine Gehaltsobergrenze, da die Owner aus dem alten CBA ausgestiegen waren). Ich habe leider keine andere Quelle für die Daten von 2010/11 gefunden, lt. Google-Suche verlinkt praktisch alles auf Pro Football Talk und deren Liste aus dem vergangenen September). Ich nehme die Zahlen jetzt mal als korrekt an. Der Mittelwert liegt bei 122,5 Mio. Dollar, also deutlich unter dem von mir errechneten Salary Cap und Salary Cap Floor – wobei andere Quellen (z.B. ESPN) von ca. 120 Mio. Dollar Gehaltsobergrenze für die kommende Saison sprechen.

Bezüglich des aktuellen Payroll (also Stand Juni 2011) schenke ich einfach mal John Clayton von ESPN.com Glauben: Im Schnitt liegt die Salary-Cap-Zahl bei 92 Mio./Team (logisch, weil haufenweise Spieler Free Agents sind) – jedoch finde ich, dass die Payroll der abgelaufenen Saison ein guter Maßstab für einen Quervergleich ist.

Ich gehe mal von den 135 Millionen Salary Cap aus.

Rauf, nicht runter

Laut der Liste von Pro Football Talk befindet sich nur ein Drittel ÜBER der angedachten neuen Gehaltsobergrenze von den von mir angenommenen $135 Mio., dafür rund zwei Drittel der Franchises DARUNTER, einige sogar massiv (die Buccs zahlten z.B. ganze $80 Mio., was 50 Mio. zu wenig sein würde). Sprich: Diese Teams müssen einen Weg finden, ihre Personalkosten im Spielerbereich massiv AUFZUBLÄHEN. Ein bizarrer Gedanke, und nicht ohne Probleme.

Es gibt mehrere Varianten für ein Team wie die Buccs oder Bills, um dieses Ziel kurzfristig zu erreichen. Sie könnten zum Beispiel einen Run in Richtung Top-Free Agents der Güteklasse Asomugha anstreben. Ob allerdings ein Asomugha noch einmal fünf Jahre in der Provinz versauern möchte? Bliebe auf dem freien Markt nur noch die Option, mittelmäßige Spieler hoffnungslos überzubezahlen – keine gute Alternative.

In dem Fall würde sich eine andere Taktik anbieten: Eigene Spieler, Hoffnungsträger, Stars, whatever, ganz einfach mit massiven Verträgen auszustatten. Würde sich im Falle Buccs mit seinem jungen Angriffstrio sicherlich anbieten, auch des Blogbetreibes Hausherrn Bewunderung für Josh Freeman dürfte bekannt sein. Bei anderen Teams sieht es aber auch diesbezüglich wenig rosig aus. Ich nehme mal die Bills als Beispiel: Haben die Bills überhaupt genügend Spieler, die solch künstlich aufgeblähte Verträge wert sind?

Etwas weiter gedacht

Die Schwierigkeit, für 2010/11 die Payroll an die Minimalgrenze der Gehaltsobergrenze anzugleichen, ist also definitiv gegeben und sollte auf der Hand liegen. Ich frage mich aber, was der aggressive Push des Salary Cap Floor gen Salary Cap für die mittelfristige Zukunft bedeutet.

Weitsichtiges Management in der Kaderplanung wird massiv an Bedeutung gewinnen. Der enge Handlungsspielraum sollte einen Trend von Win now! zu Build to win sometimes einleiten, da ich nicht sehe, wie eine Franchise es sich noch leisten kann, einen hochbezahlten Spieler nach einem schlechten Jahr zu schnell aufzugeben.

Gleichzeitig müssen die Franchises kurzfristig immer wieder ihre Payroll in den engen Spielraum zwischen Minimalgrenze und Obergrenze einpferchen, was sich mit nicht perfekten Strategen am Pult sehr negativ auf eine langfristige Entwicklung auswirken dürfte.

Noch weiter gedacht

Ich beginne, am Salary Cap und dem Salary Cap Floor zu zweifeln, so sehr ich das Interesse der Spieler daran verstehe. Aber sollte es dazu kommen, dass „Salary Cap Floor“ praktisch identisch wird mit „Salary Cap“, sehe ich einen Trend in Richtung „Spitzenbezahlung für Spitzenkräfte“. Und mit „Spitzenkräfte“ können wir durchaus nur über Franchise-Quarterbacks, Left Tackles und Defensive Ends reden, die über eine längere Überlebenszeit in der NFL verfügen.

Oder drastisch gesagt: Es läuft für eine Franchise darauf hinaus, einen Haufen billiger Spieler einkaufen zu müssen, um dann die Spitze mit zwei oder drei extrem hochbezahlten Spielern auszugleichen. Ich bin nicht überzeugt, ob das das Ziel sein soll. Aber ich bin überzeugt, dass es über kurz oder lang der Weg zum Ziel sein wird.

Eine völlig andere Sichtweise hat der Colts-Blogger von Stampede Blue:

Ultimately, I think the salary floor will be a net positive for all teams, regardless of market size or revenue stream. With the increased spending on salaries, the league should be extremely competitive. I’m of the belief that ‚you have to spend money to make money‘, which several teams just don’t do. I believe the best way to make money outside of Dallas,Washington, and New England, is to win games. If the Bills would win 10-11 games, they’d see that revenue go up, thanks to increased ticket sales, merchandise, food/beer, etc.

Winning cures everything, and the fact that teams will now be forced to spend money on players, rather than playing cap games to make it look like they are spending more than they really are, will make the league better, especially for the fans. And that’s what we care about, right?

Wenn doch immer nur alles so einfach wäre.

Noch eine Anmerkung: Ich war gestern ziemlich überrascht, als Herrmann in den Kommentaren einen Artikel vom Blog „Live Ball Sports“ verlinkte, der sich fast identisch liest, sogar mit sehr ähnlicher Schlussfolgerung. Ich möchte mich von einer Zuguttenbergisierung aber freisprechen – dieser Eintrag ist bereits gestern Morgen entstanden.

6 Kommentare zu “Salary Cap Floor und die Probleme, die er mit sich bringt

  1. Interessante Gedanken, interessante Schlussfolgerung, die eigentlich nahelegt, nicht nur Salary Cap und Floor abzuschaffen, sondern das komplette Revenue-Sharing System.

    Ich kann die Sorge, dass langfristiges Bauen einer Mannschaft immer mehr Lotterie wird und von einzelnen Verträgen besonders abhängig wird, verstehen, aber die NFL darf trotzdem nie den Kern ihrer Stärke aufgeben, und diese liegt in der relativen Gleichheit aller Mannschaft. Der Reiz liegt doch darin, dass die Bills die fast gleichen Möglichkeiten haben wie die Redskins (mal abgesehen davon, dass sie so viel weniger nicht aus ihren Möglichkeiten machen ;-)) und jedes Jahr irgendwelche Cindarellas möglich sind.

    Ich sehe bei Floor = 0.95*Cap die Gefahr, dass man kleine Franchises wie die Bills oder JAX unausgesprochen zwingt (bzw. ihnen ein starkes Argument gibt), in die Metropolen ála L.A. zu wechseln. Ausgeben müssen eh alle die selbe Summe, daher:

    Die Schlussfolgerung muss lauten: Salary Cap ja, aber ein größerer Spielraum zwischen Cap und Floor. Alles wie gehabt also.

    Chapeau, starke Site.

  2. Sehr schöne Zusammenfassung und kein Guttenbergvorwurf. (Sorry, ich hab Deine Ankündigung eines Artikels erst gelesen, nachdem ich den Link reingesetzt hab.)

    0,95 finde ich auf jeden Fall zu hoch. Mit 0,9 oder besser noch Faktor 0,85 könnte man sicher besser arbeiten.

    Was ich mich aber auch gefragt habe, ist, ob man das Problem kurzfristik durch Verträge mit albernen Incentives lösen kann. Als Beispiel: ich brauche noch 5 Millionen Taler, um den Floor zu erreichen. Kann ich Terrell Owens einen Vertrag geben, mit dem er einen 5$ Millionen Bonus einstreicht, wenn er 200 Snaps spielt? Wenn ich dann keinen Free Agent mehr finde, dem ich die 5 Millionen gebe, dann bekommt einfach T.O. 200 Snaps und der „Floor“ ist erreicht. Oder auch mit Work-Out-Bonuses. Oder auch: ich schreibe einem (Backup-)Quarterback einen Riesenbonus von 3 Millionen in den Vertrag, wenn er 20 Completions in der Saison hat. Wenn ich (kurzfristig) keinen guten/teuren Free Agent mehr verpflichten kann, dann laß ich ihn einfach die 20 Completions machen.

    Die Gefahr, die ich auch, so wie Du, sehe, ist, daß um Franchise-Typen wie QBs oder Pass-Rusher ein absurder Überbietungswettbewerb einsetzt. Oder auch CBs, Asomugha könnte unter diesen Vorzeichen ja in einen abstrusen Überbietungswettbewerb beispielsweise der Bucs oder der Bills geraten, die mit einem Jahresgehalt von 20 Millionen zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Franchise-CB geholt und Salary-Cap-Floor erreicht.

  3. @korsakoff
    Was ich nicht verstehe ist, wieso das beschriebene Salary cap Floor zum Szenario führen wird: bigtime Contracts für eine Handvoll, kleine Scheibchen für den überwältigenden Rest. Eine Franchise wird doch unflexibler, wenn sie dem falschen Spieler das meiste Geld in der A…… schiebt… oder auch dem richtigen.

  4. @Crusader

    Nein, die Franchise gewinnt an Flexibilität, wenn sie ganz wenige Spieler (QB, LT, DE oder einen CB) schwer überbezahlt und damit eine „Grundauslastung“ im Salary Cap über mehrere Jahre hat.

    Der enge Spielraum zwischen Floor und Cap kann viel leichter gemanagt werden, wenn die Verträge klein und „schmerzlos“ bei der Entlassung sind (NFL-Spieler sind ziemlich rechtelos, wenn es um Vertrags-Auflösung geht).

    Bildlich kann man sich ein Glas vorstellen, das auch leichter zu füllen ist mit wenigen großen Kugeln und einem Haufen kleinen als mit einigen mittelgroßen.

    Ich gebe aber zu, dass die Formulierung im Artikel ungünstig ist, da sie auf den ersten Blick den Eindruck erweckt, als würden die Spitzengehälter die Spitze abdecken. Dies passiert nur in dieser Off-Season, weil Teams wie Tampa Bay händeringend Top-Verträge brauchen, um in diesem Jahr den Floor zu erreichen.

    Für die Zukunft bedeuten die Top-Verträge eine Grundauslastung des Caps.

  5. „Für die Zukunft bedeuten die Top-Verträge eine Grundauslastung des Caps.“

    Also langfristige Verträge für die Cornerstones und die anderen müssen sich mit Häppchen begnügen. Verstehe ich das richtig?

  6. So lautet zumindest meine Theorie – und daher ist für mich die Taktik der NFLPA, den Floor gen Cap zu pushen, auch nur begrenzt nachvollziehbar, da IMHO nur ein vergleichweise kleiner Teil von der höheren Gesamtsumme profitieren wird, während der überwältigende Teil im Prinzip langfristig mit kleinen Brötchen und kurzen Vertragslängen (ergo: mehr Unsicherheit) leben wird müssen.

    Sprich: Höherer Mittelwert der gesamten Vertragssummen, aber vor allem auch viel, viel höhere Varianz.

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