Coaching-Spotlight: Brandon Staley bei den Los Angeles Chargers

Die Los Angeles Chargers haben letzte Woche bekanntlich ex-Rams-DefCoord Brandon Staley zum neuen Headcoach bestellt.

Staley hat eine steile Karriere hinter sich. Der Mann ist 38, aber vor vier Jahren hat er noch den Defensive Coordinator in der Division-III am College gegeben. Seither?

  • 2017-2018 Linebacker-Coach bei den Bears
  • 2019 Linebacker-Coach bei den Broncos
  • 2020 Defensive Coordinator bei den Rams

Und jetzt Headcoach beim Stadtrivalen Chargers. Wir haben in den letzten Wochen immer wieder über die Funktionsweise der Rams-Defense geschrieben, die man als wirklich modern bezeichnen muss.

Staleys Defense-Scheme ist auf die Pass-Defense ausgerichtet und versucht, Big Plays zu verhindern. Wie viel am Erfolg seiner Defense am Scheme/Play-Calling und wie viel schlicht an der Tatasache hing, dass er mit DT Aaron Donald und CB Jalen Ramsey zwei der allerbesten Talente in der NFL zur Verfügung hatte, ist nach nur einer Saison schwierig zu sagen. Als die Rams in Green Bay mit einem angeknockten Donald auflaufen mussten, wirkte die Defense gleich weniger furchteinflößend.

Doch was sicher ist: Die Unit hat über die ganze Saison wesentlich besser performt als man erwartet hatte. Staley hat bewiesen, dass er Spieler so einsetzen kann um ihr Potenzial zu maximieren – und er bringt die richtige Denkweise mit. In dem mittlerweile oft zitierten, famosen Stück von Robert Mays wird er so zitiert:

“I know that the quickest way to lose is to give up explosions in the passing game,” Staley said. “It takes a lot of 4- and 5-yard runs to add up to a 50-yard pass. If you truly believe that explosions are how you lose in the NFL, you really need to start there in your philosophical structure and how you construct your defense.”

Das ist natürlich extrem simpel und klingt total logisch. Aber wenn du anderen Defensive Coordinators zuhörst, dann geht es meistens um „stop the run“, „be physical“, „stop 3rd downs“ – und so spielen diese Defenses dann auch.

H/T an Fabian Sommer für den Link zu diesem Vergleich der Chargers- und Rams-Defenses in der abgelaufenen NFL-Saison. Eines der auffälligsten Resultate: Die beiden Defenses waren in der ersten Halbzeit fast gleich effizient. Doch nach der Pause krepierten die Chargers-Defenses von Gus Bradley, während jene von Staley dominierten. Halftime-Adjustments! Ein Teil davon ist Run/Pass Ratio. Aber nicht alles.

Staley hat Ende letzter Woche seine Einstands-PK gegeben, und dem Vernehmen nach war sie ziemlich genau das was ich von einem Headcoach hören möchte. Da wäre einmal Offenheit gegenüber Informationsbeschaffung und -nutzung auf breiter Basis:

Er verfolge sogar die SLOAN Conference der Sport-Analytiker.

Eine seiner interessantesten Aussagen deckt sich mit dem, was ich letzte Woche im Snap-Podcast vermutet hatte: Staley versteht als exzellenter Defense-Mind auch einiges von Offense. Er liest sozusagen gegnerische Offenses und kann dadurch eventuell auch wertvollen Input an die eigene Offense mit dem vielversprechenden QB Justin Herbert geben. Staley:

Das klingt alles ziemlich sexy. Ein junger Mind, der out of the standard NFL box denkt und versteht wie man eine Defense im Jahr 2021 ausrichten muss. Einer, der dadurch auch checkt, wie man Offense spielen muss – und sogar bereit ist, dort seinen Input zu geben.

Staley ist unerfahren, was ein Risiko ist. Aber die meisten Ingredienzien für einen analytisch vielversprechenden jungen Coach sind da. Sozusagen der „defensive Sean McVay“, um mal bei dem Vokabular zu bleiben, das McVay vor einem Jahr bei Staleys Einstellung bei den Rams gebrauchte.

Und damit zum Schlag in die Magengrube

Aber jetzt kommt noch der „Downer“: Staley hat offensichtlich den ehemaligen Saints-Assistent Joe Lombardi zu seinem Offensive Coordinator und damit auch Offensive Playcaller bestellt.

Lombardi war schon einmal OC – und zwar bei den Detroit Lions anno 2014-2015. Es war eine Schreckensperiode mit total statischen Offenses. Matthew Stafford wurde mit Waffen wie Calvin Johnson oder Golden Tate zu einem Kurzpass-QB degradiert. Die Lions spielten zwar einiges an Early-Down-Offense, nutzten aber kaum Play-Action und standen permanent in langen 3rd Downs. Nach eineinhalb Jahren wurde Lombardi entlassen – und es war keine Sekunde zu früh. Nach seinem Abgang wurde es quasi über Nacht sofort besser (Lions 2015 mit Lombardi #30 nach EPA/Play, ohne ihn #10).

Ich schrieb ein paar Wochen nach Lombardis Rauswurf damals erleichtert:

Was sicher ist: Detroit hat seine Herangehensweise seit der Entlassung von Lombardi etwas geändert: Die Spielzugabfolge ist kohärenter, flüssiger. Es werden weniger Rochaden in der Aufstellung vorgenommen, dafür mehr Tempo angezogen. Obwohl weniger Personal durchgewechselt wird, werden die Spielzüge mehr durchgemischt: Mehr Shotgun für Stafford, mehr Durchmischen der Aufstellungen von Wide Receiver und Runningbacks. Gegen Philly stand RB Riddick so oft im Slot wie noch nie. Ein TE Ebron wurde als verkappter WR3 aufgestellt. Ein Golden Tate sah Snaps als Fullback. Stafford spielte sogar Snaps aus der Pistol-Formation, die man in Detroit seit zwei Jahren nicht mehr gesehen hat.

Wichtigste Neuerung scheint allerdings die erhöhte Aggressivität zu sein: Detroit spielte 3rd/17 aus und ging tief. Das hat man das ganze Jahr noch nicht gesehen. Detroit suchte gezielt wieder und wieder WR #81 Calvin Johnson, sein wertvollstes Goodie in der Offense. Johnson hatte dieses Jahr keine 12yds/Catch gemacht, nachdem er seit Jahren das beste deep threat der Liga gewesen war. Die letzten Wochen wird Johnson wieder tief geschickt und tief angespielt.

Nun können sich Coaches immer weiterentwickeln, und Lombardi kehrte nach dem missglückten Experiment in Detroit auch wieder „heim“ als QB-Coach nach New Orleans. Vielleicht hat er in seinem zweiten „Stint“ dort mehr gelernt als in seinem ersten.

Aber mir graut vor der Einstellung. Lombardi war D-Line Coach an der Highschool, als Staley dort Quarterback spielte. Damit weckt seine Verpflichtung bei den Bolts böse Vibes von wegen Vetternwirtschaft. Einfach den richtigen Namen (in dem Fall „Neffe von Vince Lombardi“) und die richtige Beziehung haben, dann kommst du in der NFL immer wieder zu deinen Chancen.

Ich mache keinen Hehl daraus: Wäre es ein anderer OffCoord geworden, ich wäre weit optimistischer was Staley angeht. Aber Lombardi ist ein dicker Dämpfer. Staley hat das richtige gesagt. Aber danach das falsche getan.

14 Kommentare zu “Coaching-Spotlight: Brandon Staley bei den Los Angeles Chargers

  1. Mega interessant. Woher nimmst du immer alle diese Informationen? Kein Mensch kennt Joe Lombardi und Korsakoff presst Details zum Offensive Playcalling raus als wäre es das normalste der Welt. Beeindruckend.

  2. Naja, ich musste 24 Spiele von dem Mist an Offense anschauen, und spätestens nach dem dritten war klar, dass es nicht mehr besser werden würde. Da hat auch die beste Saisonbilanz der Lions in den letzten 20 Jahren nicht darüber hinwegtäuschen können. Zumindest nicht mich 🙂

  3. Ha!

    Perfektes Timing für den Eintrag, denn just gerade zur Stunde läuft die PK mit Joe Lombardi in L.A. und die Aussagen sind „mixed bag at best“

    Über Run/Pass Ratio und Justin Herbert:

    Let him throw WHEN APPROPRIATE.

    Über seine Lernfähigkeit:

    Dann aber über 4th Downs (!):

    Mal schauen. Die PK impliziert, dass Brandon Staley die Richtung der Offense vorgibt und mehr Einfluss haben wird als ein gewöhnlicher „Defensive HC“.

  4. Was macht eigentlich ein QB Coach zwischen Drew Brees und Sean Payton? Das clipboard halten? Die 2nd stringer coachen?

  5. Pingback: Coaching-Spotlight: Urban Meyer in Jacksonville | Sideline Reporter - Eier, wir brauchen Eier!

  6. als Vince-Lombardi-Neffe war es ja quasi seine historische Pflicht, einen Packers-Rivalen nieder zu halten 😉

  7. Erstmal abwarten. Es ist Staley seine erste HC-Station und da ist es vielleicht auch normal, wenn man auf der Position jemanden einstellt, den man kennt und vertraut.
    Staley ist der HC und wenn eine Offense gespielt wird, die nicht seinen Vorstellungen entspricht, muss er sowieso eingreifen und adjusten.
    Es wird spannend sein wie sich die Chargers in der neuen Saison entwickeln.

  8. Pingback: Der NFL Trainerkarussell 2021 hat fast ausgedreht | Sideline Reporter - Eier, wir brauchen Eier!

  9. Pingback: All-32: Los Angeles Chargers 2021 Vorschau | Sideline Reporter - Eier, wir brauchen Eier!

  10. Pingback: Montagsvorschauer – Woche 4: Los Angeles Chargers – Las Vegas Raiders | Sideline Reporter - Eier, wir brauchen Eier!

  11. Pingback: Lass uns Steelers und Chargers besprechen | Sideline Reporter - Eier, wir brauchen Eier!

Hinterlasse einen Kommentar

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..