San Francisco – Seattle ohne Gewähr

Neandertaler-Zeit in den USA: Wegen der Ausscheidungsspiele in der Schlagballliga wird ESPN America heute Nacht nicht das Thursday Night Football Game übertragen. Wir müssen und mit Tapes begnügen: Morgen gleich zweimal: Einmal um 16h, dann noch mal in der Nacht auf Samstag ab 5h30, sofern nicht wieder fleißig am Sendeplan gewerkelt wird. Wie schon in den vergangenen Jahren übernehme ich keinerlei Haftung für sprunghaftes Verschieben der Sendetermine. Weil auch SPORT1+ aus mir nicht bekannten Gründen seit letzter Woche davon abgegangen ist, die Donnerstagsspiele zu übertragen, bleiben die Fernseher stumm. Gamepass-Zeit.

Dabei böte das Matchup San Francisco 49ersSeattle Seahakws einiges an Thrill – nicht nur, weil beide mit 4-2 punktgleich an der Spitze der nicht mehr verspotteten NFC West liegen: Es ist vielmehr auch das Aufeinandertreffen von zwei äußerst knackigen Defenses. Während jene der 49ers seit eineinhalb Jahren bereits kein Geheimnis mehr ist – blitzsauberes Tackling, wuchtige, dominante Front-Seven, Linebackers Willis/Bowman, die alle Tight Ends abdecken können – kommt die Verteidigung der Seahakws immer noch wie ein kleines Mysterium auf uns zu.

Ich liebe Seattles Abwehr seit nun fast einem Jahr. Ich tue mir aber immer noch schwer, diese Billig-Unit (keine 40 Mio. teuer sind alle Abwehrspieler zusammen, und damit über ein Drittel billiger als die Seahawks-Offense!) zu beschreiben. Pete Carroll hat in den vergangenen Jahren Abwehrspieler um Abwehrspieler um Abwehrspieler gedraftet, scheinbar ohne Plan, aber nun stehen da eine junge, sehr physische und druckvolle Defensive Line und eine blitzsaubere Secondary auf dem Feld.

Namen wie DT Brandon Mebane, DT Alan Branch, DE Chris Clemons oder DT Red Bryant sollte man sich merken. Auffällig ist auch der pfeilschnelle DE Bruce Irvin, der nur selten eingesetzt wird, aber QB-Pressure auf QB-Hit auf Sack produziert und meinem Tipp als Defensiv-Rookie des Jahres bisher gerecht zu werden scheint. In der Secondary geistern CB Richard Sherman oder S Earl Thomas längst nicht mehr als völlige Unbekannte durch die Gegend.

Wird spannend, wie San Francisco da die Pocket für QB Alex Smith sauber halten möchte. Wenn die vergangenen Wochen eines gezeigt haben, dann war es folgendes: Solange Smith den risikolosen Verwalter spielen darf, können die 49ers um ihr dieses Jahr starkes Laufspiel munter aufgeigen. Wenn die Niners aber einen Rückstand aufholen müssen, droht Harakiri-Smith, sich noch stärker, als andere Quarterbacks in Incompletions und Interceptions zu verheddern.

Bleibt also das Hawk-Patentrezept: Hole dir eine schnelle Führung und zwinge die 49ers, dich mit den Händen Alex Smiths zu schlagen. Aber haben die Seahawks selbst das Potenzial, mit ihrer eigenen Offense ein Spiel zu diktieren, um überhaupt eine Führung zu holen? Der wuselige QB Russell Wilson erlebt derzeit eine Sympathiewelle quer durch die Staaten und spielt auch ganz begeisternd, aber bei aller Liebe bleibt erstmal abzuwarten, inwiefern Wilson überhaupt die Tools hat, längerfristig wilde Aufholjagden und Heilige Jungfrauen zu liefern.

Alles in allem ein Spiel, das nicht wirklich danach riecht, als ob es die Vierzigpunkte-Schallmauer durchbrechen kann. San Francisco dürfte favorisiert sein, aber wenn das Szenario „frühe Führung für Seattle“ eintritt, dürfte das eine ganz lustige Nacht werden…