Furchtlose NFL-Vorschau 2018/19 | Das Niemandsland

Heute folgt Teil 2 der Furchtlosen NFL-Vorschau 2018/19 mit den Mannschaften, die im unteren Liga-Mittelfeld zu erwarten sind, bei halbwegs günstig fallenden Steinen aber auch schneller als gedacht in den Playoffs stehen könnten.

Rechts können wie immer die verwendeten Metriken begutachtet werden.

Cincinnati Bengals

Playoff-Wahrscheinlichkeit nach FPI: 20%
Tipp: Platz 3 in der AFC North

Die Cincinnati Bengals hatten in den letzten Jahren ausreichend Chancen für einen Ansturm auf die Superbowl: Getragen von einer hervorragenden Defense und in einer in den besten Jahren gut geölten Offensivmaschine war die Mannschaft von Headcoach Marvin Lewis immer wieder ein AFC-Contender…

…um am Ende noch nicht einmal einen einzigen Playoff-Sieg einzufahren. Die Gründe dafür waren verschieden: Erst war es fehlende Reife, dann mutloses Playcalling, dann fehlendes Glück, dann schier abstruses Pech und schließlich einzigartiger Knieschuss.

Jetzt scheint die Mini-Blüte der Bengals vorbei: Lewis bekam zwar trotz aufeinanderfolgender 6-9-1 und 7-9 Saisons eine weitere Vertragsverlängerung, aber ob Personal und Trainerstab noch up to date sind, bleibt abzuwarten.

Die Offense wird von Bill Lazor gecoacht, der 2017 nach wenigen Spielen in die Verantwortung genommen wurde und es im Play-Calling gleich schlecht machte wie der indisponierte Vorgänger Zampese. Lazor will immerhin mehr Tempo in die Offense 2018 bringen. In der Defense holte man sich DefCoord Teryl Austin von den Lions – einen Mann, der sich gut auf Secondary versteht, aber häufig Probleme in 3rd-Downs hatte.

Cincinnati ist mit QB Andy Dalton eine jener NFL-Mannschaften im „QB-Fegefeuer“: Dalton ist nicht desaströs genug um sofort einen Umbau einzuleiten, aber auch nicht gut genug um eine Offense allein auf seinen Schultern zu tragen. Er war in den „guten Jahren“ mit funktionierender Offensive Line und grandiosem Receiving-Corp effizient genug und hätte ohne seine Daumenverletzung vor drei Jahren die Superbowl in Angriff nehmen können. Aber seither brach das Kartenhaus zusammen – und mit ihm Daltons Effizienz: Nur 5.7 NY/A im Passspiel 2017.

2018 sollte es besser werden. In der Offense Line ist der neue 1st-Round Center Billy Price ein Upgrade gegenüber dem enttäuschenden Russell Bodine, und LT Cordy Glenn kam via Trade aus Buffalo, aber RT Andre Smith muss ersetzt werden. Die beiden Runningbacks Mixon und Bernard sind gute zwar keine Power-Runner, aber gute double threats als Fänger.

Der Receiving-Corp, 2017 unterirdisch in 11- und 12-Personnel, schleppt einige Zipperlein mit: TE Tyler Eifert ist zu häufig verletzt um noch eine tragende Starter-Rolle außerhalb der RedZone einzunehmen und WR A.J. Green kann es nicht im Alleingang richten. WR John Ross, 2017 als #9 hoch gedraftet, spielte ganze 25 Snaps. Er ist somit einer der X-Faktoren für die anstehende Saison: Gelingt ihm der Sprung zum Starter, hat Lazor mit Green und Ross zwei potenzielle deep threats.

Offense hin oder her, stabilisierender Faktor in Cincinnati ist die Defense. Die Front-Seven wurde in den letzten zwei Jahren durchaus mit Nachdruck aufgebessert. Superstar ist DT Geno Atkins, einer der drei besten Inside-Rusher in der NFL. Von den Flanken kommen der langjährige Starter DE Dunlap und DE Carl Lawson (2017: 8.5 Sacks und 59 QB-Pressures) sowie DE Willis und Rookie-DE Sam Hubbard. Das ist gute Tiefe direkt vor LB Burfict, der als Charakter umstrittener ist denn als Spieler.

Diese Front-Seven sollte der Secondary helfen. Dort gilt CB William Jackson III als echter Rohdiamant (2017: zweitniedrigste Success-Rate und zweitniedrigstes QBR in seine Richtung), und seine Nebenleute sind mit Fitzpatrick und Dennard zwei ex-1st Rounder. Einzig auf Safety gibt es Fragezeichen: Nach Ilokas Entlassung könnte mit Bates ein Rookie starten.

Cincinnati kommt zwar aus 7-9 Bilanz, hatte aber nur den Pythagorean eines 6-Win Teams. Das spricht eigentlich ebenso für negative Regression wie auch der Fakt, dass in der AFC North mit den Browns ein viertes wettbewerbsfähiges Team aufzukommen scheint. Die beiden Gratis-Siege gegen Cleveland kommen dieses Jahr nicht mehr so billig. Auf der anderen Seite ist es durchaus wahrscheinlich, dass die Bengals-Defense dieses Jahr mehr als bloß 14 Turnovers kreiert und man nicht wieder mit -9 Turnover-Bilanz abschließt. Und dann sollte eine personell ge-upgradete Offense den Rest erledigen, zumindest erneut sieben Siege einzufahren.

Dallas Cowboys

Playoff-Wahrscheinlichkeit nach FPI: 41%

Die beständig von überhitztem Buzz umgebenen Dallas Cowboys sind eines der „one trick ponys“, die im Idealfall durchaus einen Angriff in Richtung Playoffs starten können, die aber zwei ernst zu nehmende Schwächen durchschleifen müssen – rein zufällig in den beiden wichtigsten Facetten der gegenwärtigen NFL: Pass-Offense und Pass-Defense.

QB Dak Prescott wäre in einem Vakuum ein Juwel: Er spart als überdurchschnittlicher Quarterback mit dem billigst möglichen Rookie-Vertrag rund 20 Millionen Cap-Space, doch Dallas hat in den letzten Jahren kaum Anstrengungen unternommen, ihm adäquaten Supporting-Cast beiseite zu stellen. In der abgelaufenen Offseason verlor man mit TE Jason Witten und WR Dez Bryant dann auch die beiden wesentlichen Anspielstationen – zurück bleiben ein WR-Trio Terrance Williams / Allen Hurns / Cole Beasley, kein anspielbarer Tight End sowie RB Zeke Elliott, in der NFL bislang als Pass-Catcher nur selten in Szene gesetzt.

Elliott stand die letzten zwei Jahre im Zentrum der großen Stärke der Cowboys-Offense: Laufspiel. Das Running Game war mit über 45% Success-Rate jeweils in den Top-3 der NFL klassiert. Doch auch hier gibt es für 2018 Fragezeichen: Die Offensive Line, wuchtiger Treiber der großartigen Statistiken, hat seit Wochen mit Verletzungsproblemen zu kämpfen. LT Tyron Smith, C Frederick und RG La’El Collins verpassten alle einen Teil der Vorbereitung mit diversen Zipperlein, und Frederick scheint längerfristig auszufallen. Kann die teuerste Offense Line der NFL nicht in Bestform auflaufen, fehlt den Cowboys der nötige Punch.

Mit suspektem Passspiel, fehlenden fangstarken Runningbacks und Verletzungsausfällen in der O-Line muss man sich in der Dallas-Offense von 2018 tatsächlich fragen: Was bleibt übrig?

Wie wichtig die Offense für die Erfolgschancen der Cowboys ist, zeigt ein Blick auf die Defense. Sie hat punktuelle Stärken – Pass Rush (DEs Lawrence & Charlton) sowie Linebacker (Sean Lee, Jaylen Smith, Leigthon Vander Esch) wären zu nennen – doch ebenso substanzielle Schwächen auf Defensive Tackle und in der Secondary. Eine Wiederholung von 5.8 NY/A gegen den Pass scheint ausgeschlossen – viel wahrscheinlicher ist massive Regression zur Mitte.

Exzellentes Coaching und Play-Calling könnten einen lückenhaften Kader kompensieren, doch Dallas hat abseits des ausgezeichneten DefCoords Marinelli nicht viel auf der Trainerbank zu bieten: Headcoach Jason Garrett und OffCoord Linehan gehören zu den konservativsten Play-Callern in der NFL. Das sollte selbst in der NFC East, der schwächsten Division der NFC, mit den Playoffs eher eng werden.

Denver Broncos

Playoff-Wahrscheinlichkeit nach FPI: 20%

Es ist erst zweieinhalb Jahre her, dass die Denver Broncos die Superbowl-Trophäe in die Höhe recken durften, doch es fühlt sich an wie ein Triumph aus einer anderen Epoche. Dabei sind die goldenen Broncos von 2015 gar nicht so verschieden von den grauen Broncos aus dem Spätsommer 2018: Defense-dominiert, Gurken-Offense, erzkonservativ im Play-Calling.

Die Unterschiede sind subtil, aber entscheidend: Denvers Defense-Ausgabe 2015 gehörte zu den besten der NFL-Geschichte und auch wenn der Grand Signeur QB Peyton Manning nur noch ein blasser Abglanz alte Tage war, so hatte er doch das Spielverständnis um ausreichend Plays für den Durchmarsch zu machen.

Denvers Defense von heute ist „nur“ noch Prädikat „exzellent“. Sie war die #3 des letzten Jahres, was bei aller Qualität dann nicht ganz an die epochale Monster-Defense von 2015 heranreicht. Doch vor allen anderen Problemen waren die Quarterbacks unter aller Sau: Trevor Siemian & der gefloppte ex-1st Rounder Paxton Lynch sorgten für 5.4 NY/A und 4% INT-Quote in der Offense. So gewinnt du keine Spiele: Die Broncos vergaloppierten sich mit 34 Turnovers auf 5-11 Bilanz.

Siemian und Lynch sind Vergangenheit, aber auch der neue QB stellt nicht jeden glücklich: Es ist QB Case Keenum, der letztes Jahr in Minnesota sein „career year“ erlebte und die beste Saison seines Lebens spielte. Die Umstände waren ähnlich jenen in Denver: Wenig Laufspiel als Entlastung, fragwürdige Offense Line, aber hervorragende Defense als Entlastung.

Doch bei aller Liebe für den Underdog Keenum: Die Wetten stehen besser, dass er sich als klassisches one year wonder entpuppt, als dass er mit 30 Jahren auf dem Buckel urplötzlich zum neuen Franchise-QB wird.

Keenums wichtigste Aufgaben: Turnovers reduzieren (zweithöchste INT-Quote) und Sacks besser vermeiden als die Vorgänger (9.1% Sack-Rate war #29 der Liga). Mit einem WR-Duo Thomas/Sanders, ergänzt durch eine Slot-Waffe wie Rookie Courtland Sutton sollte zumindest ersteres klappen; und dass Cousins hinter instabilem Blocking agieren kann, bewies er 2017.

Die Defense wird ihren Teil beitragen: Pass Rush mit Miller/Rookie Chubb sowie Deckung mit Cornerbacks wie Harris und Roby sind erstklassig. Denver wird mehr als 5 Siege holen – aber der Case-Study wird sein, ob das Upgrade von QB-Desaster auf QB-Mittelklasse genug für eine Wildcard sein wird.

Detroit Lions

Playoff-Wahrscheinlichkeit nach FPI: 25%

Die Detroit Lions gehen mit neuem Trainerstab in die Saison, nachdem der langweilige Jim Caldwell nach vier Jahren gefeuert wurde. Der Neue am Ruder ist Matt Patricia, bislang DefCoord der Patriots. Patricia sieht mit seinem Vollbart aus als hätte er das Haarwasser sämtlicher Talibanprediger ausgesoffen und drei Nächte unter der Brücke geschlafen, aber er gilt in Insiderkreisen durchaus als Genie.

Genie – eine hohes Wort, vor allem mit Blick auf die schwache Historie von Belichick-Schülern fern von Foxboro. Und ein hohes Wort auch für einen Mann, dessen Defense im letzten NFL-Spiel von Relevanz von den Eagles mit Backup-QB in der Superbowl vorgeführt wurde.

Organisation und Defense sind die wesentlichen Aufgaben für Patricia in Detroit. Die Lions waren in der Caldwell-Ära ein defensiv wackeliges Team. Viele Ressourcen zum Arbeiten gibt es nicht, schließlich baute auch GM Bob Quinn die letzten beiden Jahre vor allem an der Offense. Patricia muss 2018 nicht weniger tun als aus einer dünn besetzten Defense eine NFL-taugliche Unit zu formen.

Mit DT A’Shawn Robinson, DE Ziggy Ansah, LB Jarrad Davis, CB Darius Slay und FS Glover Quin steht zumindest „die Achse“, doch inwieweit Tiefe und Qualität des Restes ausreichen werden um Patricias komplexe Matchup-Defense schon im anstehenden Herbst zu spielen, bleibt abzuwarten. Im schlimmsten Falle erwarten uns Coverage-Breakdowns à la Patriots 2017 im ersten Saisonviertel.

Dass die Lions auch in der hammerharten NFC North nicht völlig abschmieren, dafür sorgt die potenziell hervorragende Offense. Das so lange desaströse Laufspiel erfährt wesentliche Neuzugänge in OL Frank Ragnow (1st Round), RB Kerryon Johnson (2nd Round) Free Agent Legarrette Blount. Es ist nicht damit zu rechnen, dass OffCoord Cooter von seiner hohen Pass-Rate im Play-Calling abgehen wird – außer in kurzen 2nd und 3rd Down Situationen und in der Redzone. Dort kostete das zahnlose Laufspiel Detroit über die Jahre zu viele Punkte.

QB Matthew Stafford gehen mit verbessertem Laufspiel und großartigem WR-Trio Jones/Tate/Golladay die Ausreden aus. Er hat sich in den letzten Jahren zu einem Top-QB entwickelt, aber der letzte Durchbruch ist noch nicht gelungen. 11-Personnel wird das Schlagwort der Saison, auch wenn es keinen verlässlichen Tight End zum Anspielen gibt. Die Offense wird vor allem dann aus allen Rohren feuern, wenn die Renaissance des tiefen Passspiels des Spätherbstes 2017 eine Fortsetzung erlebt.

Playoffs werden trotzdem schwer, vor allem in einer NFC, in der alles hochrüstet und Detroit noch zu wenig Defense aufbringt um vorne mitzumischen. Im Gegenteil: Gut möglich, dass die Lions sogar trotz qualitativem Sprung nach vorne einen Platz in ihrer Division abtreten müssen – an die aufstrebenden Chicago Bears.

Kansas City Chiefs

Playoff-Wahrscheinlichkeit nach FPI: 50%

Ich hatte es schon in der Sezierstunde geschrieben: Die Kansas City Chiefs sind eine der faszinierenden Mannschaften, weil sie mit dem QB-Wechsel von Alex Smith auf Patrick Mahomes einen Paradigmenwechsel hinlegen: Von einer risikoaversen Offense ohne Ballverluste hin zum Versuch, eine komplette Pass-Offense zu spielen. Mahomes, als 1st-Round Draftpick 2017 teuer erkauft, wird kaum Smiths 1.5% INT-Quote halten können.

Mit dieser einschneidenden Veränderung fliegt alles das Fenster hinaus, was die Chiefs in den letzten Jahren erfolgreich machte: Ihr großartiges Turnover-Differenzial. Andy Reids Idee ist klar: Höheres „Ceiling“ als Divisional-Playoffs für Reids mutmaßlich letzten Angriff auf den lang ersehnten Titel.

Doch das Risiko ist ein Jahr des Umbruchs mit einigen, bislang von den so soliden Chiefs nicht bekannten Strauchlern. Vor allem auch, weil Kansas City zum zweiten Mal in drei Jahren den OffCoord ersetzen muss und Andy Reid mit dem hochpreisigen Einkauf von WR Sammy Watkins auch zum ersten Mal seit Terrell Owens vor 14 Jahren wieder eine Offense um einen individuell hochklassigen Wide Receiver zu bauen versucht.

Folge: Kansas City wird mehr 11-Personnel spielen als zuletzt gewohnt. Watkins & TE Kelce werden die Go-To Guys sein, WR Hill als downfield-Option die Defense auseinanderziehen und RB Kareem Hunt als Receiving-Waffe eingesetzt werden. Im besten Fall explodiert die Offense und feuert von Woche 1 an aus allen Zylindern. Doch realistischer sind anfängliche Kinderkrankheiten mit falschen QB-Reads und unnötigen Turnovers.

Gerade in dem Fall ist dann die Defense gefragt – und bei DefCoords Bob Suttons Unit sind ernsthafte Zweifel angebracht. Suttons Defense brach 2017 unerwartet krass ein, überlebte nur dank 26 Turnovers, doch mit 56% Success-Rate gegen den Lauf war man die #31 (und das gegen den zweitleichtesten Running-Schedule!) und mit 6.5 NY/A gegen den Pass die #24 der Liga.

Der Hoffnungsträger ist nun SS Eric Berry, frisch von Kreuzbandriss genesen. Doch wie viel ist ein Berry wert, wenn vor und neben ihm alles quietscht und knatscht? CB Peters, der Interception-König der Liga, wurde nach Los Angeles verkauft und die Verträge der langjährigen Leistungsträger DE Tamba Hali und LB Derrick Johnson nicht verlängert. Die Ersatzleute sind CB Fuller aus Washington (ein guter Mann, aber eher Slot-Corner), LB Hitchens aus Dallas und Rookie-DL Breeland Speaks.

Wenn die Offense das Tempo vorgibt, kann die Defense mit ihren starken Pass Rushern Houston/Ford sowie einer geschwindigen Secondary mithalten. Doch verschenkt die Offense wie zu befürchten ist wertvolle Scoring-Chancen und setzt die Defense mit schlechterer Feldposition stärker unter Druck als in Vergangenheit, wird das für Andy Reid und seine Chiefs ein eher schwieriges Jahr.

New York Giants

Playoff-Wahrscheinlichkeit nach FPI: 10%

Die Chiefs sind das eine Beispiel, wie man einen Umbruch angehen kann: Ressourcen in die Quarterback-Position stecken und den Frischling mit voll geladenem Arsenal ins Gefecht schicken. Das Gegenbeispiel sind die New York Giants, wo mit David Gettleman ein Dinosaurier den GM-Posten übernahm und auf eben jenen fälligen QB-Wechsel verzichtete.

Gettleman draftete im „Jahr der Quarterbacks“ mit seinem #2 Overall Pick im Jahr 2018 einen Running Back – mit Saquon Barkley keinen schlechten (was angesichts seiner athletischen Werte eine Untertreibung sein mag) zwar, aber eben einen Runningback – die wertloseste, weil austauschbarste Position der Offense. So gehen die Giants mit dem schwer auf dem absteigenden Ast befindlichen 37-jährigen QB Eli Manning und ohne Nachfolgeplan in die Saison.

Das Positive: Dem indisponierten Headcoach Ben McAdoo wurde sein Pornoschnäuzer rasiert und mit neuem Trainerstab sind die Giants ein Kandidat für natürliche Regression: 3-13 war mindestens 1-2 Siege vom „wahren“ Potenzial entfernt. Fünf Siege sind gratis.

Wie viel mehr es werden, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Große Hilfe wird die Rückkehr von WR Odell Beckham aus dem Lazarett sein (Giants-WR verpassten 2017 die zweitmeistens Starts).

Aber was wird der neue Head Coach Pat Shurmur bringen? Shurmur coachte 2017 ein gutes Jahr in Minnesota, wenn auch mit Fragezeichen im Play-Calling, doch seine Geschichte zuvor ist von Durchschnitt durchzogen. Und was ist der neue OffCoord Mike Shula, aus Carolina mit Schimpf und Schande verjagt, wert?

Klar ist: Gegenüber McAdoo wird Shurmur trotz allem nicht bloß als modisches Upgrade durchgehen. Er wird die Offense hin zu mehr 12-Personnel designen – mit den WRs Beckham/Shepard, den TEs Engram/Ellison sowie RB Barkley. Er wird das Passspiel auf Barkley und Engram forcieren um Manning zu entlasten, doch auf der anderen Seite drohen uns auch Zillionen 1st&10 Läufe in die Mauer des Schweigens.

Immerhin: Offensive Line, den riesiger Knackpunkt 2017, hat man als Problemstelle erkannt und verstärkt: LT Solder aus New England ermöglicht die Versetzung von OT Flowers auf die rechte Seite, und OG Will Hernandez, ein Rookie aus Runde 2, bolstert die Innenseite physisch auf. Dafür wurden die immobilen Bolzen wie Fluker und Pugh in die Wüste geschickt.

So wurden Eli auf seine alten Tage noch einmal alle möglichen Waffen gegeben. Die Opportunitätskosten sind die verpasste Umbruchchance, doch für eine schnelle Rückkehr ins Liga-Mittelfeld und einhergehende erhöhte Jobsicherheit verkauft ein NFL-Offizieller doch immer gern die Zukunft.

Der optimistische Teil in New York ist die Defense. Neuer DefCoord dort ist James Bettcher, ein exzellenter Mann, der in Arizona mit aggressiven Defenses glänzte. Seine Systemumstellung auf 3-4 ist ein Knackpunkt, aber dank dominierender Nickel-Defense in der zeitgenössischen NFL nicht mehr so kriegsentscheidend wie vor 15 Jahren.

In New York wird Bettchers angriffiger Approach mit offenen Armen empfangen werden, schließlich geht man von nur 4.9% Sack-Quote und dem Verkauf des Top-Passrushern Pierre-Paul aus. Einzig verbliebener Individualist im Pass Rush ist Olivier Vernon, der allerdings noch nicht 3-4 OLB gespielt hat. Du kannst schon jetzt darauf wetten, dass Bettcher Leute wie den neu eingekauften CB William Gay aus der zweiten Reihe auf Blitzes schicken wird.

Noch besser: Die unterirdischen Linebacker 2017 sehen Zugänge in Ogletree (aus Los Angeles) und Rookie Lorenzo Carter (3te Runde) – beide keine famosen Pass Rusher, aber gut genug um ihre Arbeit in der Spielfeldmitte zumindest als „Deckung“ zu umschreiben (NYG 2017 die #25 bei Passspiel über die Mitte). Dichtere Mitte führt zu mehr Passspiel in die Secondary, wo CBs wie Janoris Jenkins oder Eli Apple und Safety Landon Collins mit offenen Armen warten.

Die meisten Previews sehen die Giants am Bodensatz der Liga. Doch mit der praktikablen Offense und potenziell starken Defense sehe ich vor allem die mittelfristige Zukunft mit Gettlemans Offseason verspielt. Kurzfristig kann das durchaus gut gehen.

Völlig ausgeschlossen ist ein Mitspracherecht für die Giants im Playoff-Rennen nicht. Das Problem ist der brutale Saisonstart mit JAX, @DAL, @HOU, NO, @CAR, PHI und @ATL vor der Bye-Week. Schon 3-4 kann man sich dagegen kaum ausmalen – doch in der diffizilen Medienlandschaft wäre das das Minimum. Bei allem drunter brauchst du dir nur vorzustellen, dass einem Beckham oder Eli Apple das nächstbeste Mikrofon unter die Nase gehalten wird…

Seattle Seahawks

Playoff-Wahrscheinlichkeit nach FPI: 31%

Die Seattle Seahawks waren neben den New England Patriots das bislang prägende Team der Dekade, doch sie sind nach einem fulminanten Erfolgslauf zwischen 2012 und 2015 am Ende ihres Zyklus angekommen.

Nach dem Zerfall der Legion-of-Boom (Abgang von CB Richard Sherman, Rücktritt von SS Kam Chancellor und schwelende Trade-Gerüchte um FS Earl Thomas) und dem Abgang verdienter langjähriger Leistungsträger wie DE Cliff Avril oder DL Michael Bennett wird man das Gefühl nicht los, dass Seattle nur noch von QB Russell Wilson zusammengehalten werden und Headcoach Pete Carroll in seine mutmaßlich letzte Saison geht.

Wilson bleibt einer der famosen Quarterbacks in der NFL, aber ihn ausgeklammert, fällt es schwer, mehr als eine Handvoll dürftigere Kader in der NFL 2018 zu finden. Die Schwächen sind seit Jahren bekannt: Eine unterirdische Offensive Line, die Wilsons Ballhalten, Zaudern und Scrambling nur noch verstärken. Ein Receiving-Corp, in dem der fußlahme 34-jährige Brandon Marshall noch eine Rolle zu spielen scheint und Doug Baldwin auf maximal Standgas. Und ein Laufspiel, dessen Katalysator, der sehr hoch gedraftete Rookie-RB Rashaad Penny, auf der Verletztenliste in die Saison geht.

Und über allen: Der neue OffCoord Brian „wir müssen in offensichtlichen Lauf-Situationen tough laufen“ Schottenheimer.

Trotz aller Probleme reichte es 2017 noch um bis zuletzt im Wildcard-Rennen zu bleiben. Doch jetzt riskiert man den Einbruch. Der DefCoord ist schon wieder neu (Ken Norton jr. ersetzt den geschassten Kris Richard), man muss die halbe Defensive Line austauschen (Avril & Bennett, DL Richardson, für den man einen 2nd Rounder für ein Jahr bezahlte, ging für lau nach Green Bay Minnesota) und die besten Cornerbacks im Roster sind Coleman und Griffin. Dass Seattle mit diesem Personal nochmal 5.4 NY/A gegen den Pass zustande bringen kann, ist ausgeschlossen.

Ohne Russell Wilson wären die Seahawks schon gestern ge-previewt worden. Doch Wilson, LB Bobby Wagner und FS Thomas sind als Einzelkönner gut genug um das eine oder andere Spiel im Alleingang zu drehen. Doch es werden nicht ausreichend Siege sein, um in der NFC mitreden zu können. Zu erwarten sind Ferien für die Spieler im Jänner – und Hochsaison für GM Schneider: Der dürfte dann auf Trainersuche sein.

Tampa Bay Buccaneers

Playoff-Wahrscheinlichkeit nach FPI: 10%

Es gibt viele Anzeichen dafür, dass die Tampa Bay Buccaneers ein Jahr nach dem Absturz auf 5-11 erneut eine harzige Saison erleben:

  1. QB Jameis Winston ist drei Spiele wegen Anschuldigungen sexuellen Missbrauchs gesperrt.
  2. Der Trainerstab sitzt auf einem Stuhl mit Knallkörpern und angezündeter Zündschnur
  3. Der Schedule für Tampa Bay in der hochklassigen NFC South ist der zweitschwerste der NFL.

Doch aller Negativität ins Gesicht gelacht gibt es etliche greifbare Punkte für Verbesserung der sportlichen Bilanz.

So wird die Defense nicht erneut mit 7.3 NY/A gegen den Pass die #31 der NFL und mit 3.9% Sack-Quote die abgeschlagene #32 stellen – auch nicht gegen einen Schedule mit vielen Top-QBs. Zu viel wurde in Defensive Line & Pass Rush (DE Pierre-Paul aus New York, DT Vita Vea, DL Allen und Unrein) sowie in die Secondary (Rookie-CBs Stewart und Carlton) investiert, als dass der Gegner noch einmal ganz einfach den „harten Kern“ in der Spielfeldmitte um DT McCoy, LB Alexander und LB Lavonte David für simpelsten Runs und Completions umgehen kann.

So werden Offensive Line und Laufspiel nicht erneut eine katastrophale Schwachstelle bieten, nachdem der neue C Ryan Jensen den indisponierten Ali Marpet auf seine eigentliche Stammposition auf Guard schiebt und mit Alex Cappa ein neuer Rookie für wenigstens etwas Tiefe sorgt. Gepaart mit dem neuen RB Ronald Jones II (ein auch im Passspiel zu gebrauchender Back) anstelle der verbrauchten RB Doug Martin werden auch Laufspiel und Kurzpassspiel wieder besser in Gang kommen.

Und dann bleibt die Entwicklung des Franchise-QBs Winston, der viel auf die Fresse bekommt, aber bei genauem Hinsehen ein zu schleifendes Juwel nicht allzu weit von Top-5 Status ist: Trotz eindimensionaler Offense warf Winston 6.9 NY/A im Passspiel und trotz seines Rufs als rücksichtsloser Gunslinger waren es mit 2.5% INT-Quote nur leicht mehr INTs als NFL-Schnitt.

Winston machte sich einen Ruf als bester „Deep-Passer“ der Liga mit 10.6 Air-Yards pro Wurf (#1 vor Wentz), einer 40% 1st-Down Quote mit Passspiel (#1 der NFL) sowie einer exzellenten 49% Success-Rate im 3rd Down-Passspiel, der drittbesten der NFL. Wenn wir die allgemein merkwürdig desaströsen Vorstellungen der Buccaneers in ihren zweiten Vierteln der letzten Saison ausschließen, hatte Winston die beste Pass-SR% der kompletten NFL. Und da alles gegen einen der schwierigeren Schedules der NFL.

In Summe liest sich das trotz vieler Vorbehalte nicht wie ein Team, das zwangsläufig auf einen Top-5 Draftpick zusteuert. Viel mehr riecht es nach einer Mannschaft, die unter dem Radar fliegt und in einer einfacheren Division oder Conference ein recht klarer Play-off Anwärter wäre.

5 Kommentare zu “Furchtlose NFL-Vorschau 2018/19 | Das Niemandsland

  1. Muss gestehen: Die Seahawks nur unter dem NFL-Schnitt kommt für mich schon sehr überraschend. Russell Wilson, Bobby Wagner und Earl Thomas bilden eigentlich eine hochklassige Achse, die für mich allein reicht um die Hawks über ein Team wie San Francisco oder die Bears (mit Trubisky, der noch nix gezeigt hat) zu stellen.

    Ansonsten ein hervorragender Artikel mit vielen Insights. Die Teams mit dem größten Überraschungspotenzial aus dieser Kategorie sind für mich die Seahawks (sind wie o.g. für mich keine „Überraschung“ da zu niedrig), Denver (wenn Keenum was zeigt) und Kansas City (wenn Mahomes einschlägt).

    Daran kann man schon sehen, dass ich die AFC West als äußert interessante Division einschätze 🙂

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