Vorhang frei für die Bowl-Season 2013/14

Die Bowl-Season 2013/14 geht heute los. Die Bedeutung der Bowl-Season beschränkt sich zwar faktisch auf reinen Freundschaftsspiel-Charakter für alle Partien außer eine – dem BCS-Championship am Dreikönigstag – aber gefühlt steckt etwas mehr dahinter. Die Bowls stehen traditionell für die Post-Season im College Football, der seit Urzeiten ohne Playoffs auskommt – dieses Jahr übrigens zum allerletzten Mal – und dafür im Dezember bis Anfang Jänner stets eine Serie an so genannten „Bowls“ austrug.

Der Name „Bowl“ kommt tatsächlich von der ursprünglichen Form der großen US-Footballstadien („Bowl“ = Schüssel). Das erste dieser war die Yale Bowl in Connecticut, fertig gestellt 1914. Inspiriert von diesem Stadion erbauten die Macher in Pasadena bei Los Angeles in den 20er Jahren ebenfalls so eine gigantische Schüssel. Sie sollte der neue Austragungsort werden für das alljährliche Tournament East-West Football Game, das seit 1916 Teil der Neujahrsfeierlichkeiten samt Rosenumzug in Pasadena war.

Die Schüssel wurde Rose Bowl getauft, das Spiel „Rose Bowl Game“, und weil ein Jahrzehnt später die Macher in Miami/FL („Orange Bowl“) und New Orleans („Sugar Bowl“) dem Beispiel folgten, entwickelte sich der Terminus „Bowl Game“ alsbald als Synonym für die Post-Season, die der College-Football schon immer auf diese bizarre Weise ausspielte.

Playoffs sind ein Werk des Teufels. Wir kommen mit einer Serie an Inter-Conference Spielen aus und wählen uns an dessen Ende unseren Landesmeister („National Champion“). Das System hielt sich viele Jahrzehnte lang trotz aller himmelschreienden Ungerechtigkeiten, wurde erst in den 90ern durch die „Bowl Alliance“ und später die viel diskutierte „Bowl Championship Series“ (BCS) ersetzt, die aus der Bowl-Season endgültig eine Art Freundschaftsspiel-Serie machten, an dessen Ende das einzige bedeutende Spiel stand, das Endspiel zwischen der #1 und der #2 um den Landesmeistertitel.

Heute haben wir 34 Bowls plus als 35tes das National Championship Game. Das war nicht immer so. Noch Ende der 80er Jahre gab es nur 15-17 Bowls, aber mit der zunehmenden Kommerzialisierung und dem Aufstieg von ESPN als echter Player im TV-Markt wurden immer neue Bowls kreiert, um TV-Sendeplätze und Werbegelder zu generieren.

Qualifizieren können sich alle Teams mit zumindest ausgeglichener Siegbilanz (.500, also 6-6 Siege), wobei es oftmals eine Handvoll Teams gibt, die trotz Erreichen dieser Bilanz keine Einladung bekommen, weil einfach trotz vieler Bowls noch immer zu wenige Plätze vorhanden sind.

Es ist nicht alles schlecht: Spieler und Universitäten vor allem aus den kleinen Conferences sehen die Bowl-Season immer noch als ein großes Saisonziel. Für die Spieler ist die Qualifikation für eine Bowl auch die (offiziell) einzige Möglichkeit, über das Uni-Stipendium hinaus Zuwendungen in Form von Geschenken anzunehmen. Und vor allem für kleinere Unis ist es oft die einzige Gelegenheit, im landesweiten TV spielen zu dürfen.

Die Bowl-Season ist spannungstechnisch so aufgebaut, dass es vor Weihnachten mit einigen kleinen Bowls für die Teams mit den schwächsten Saisonbilanzen losgeht, und dann in den Tagen vor und bis Silvester die ersten namhafteren Bowls stattfinden. Ab dem Neujahrstag geht dann auch die BCS los mit den vier großen Bowls (Rose, Orange, Sugar, Fiesta), mit dem Abschluss des BCS-Finals. Detaillierter habe ich das Thema schon vor etlichen Jahren behandelt.


Den Start machen heute vier Bowls, die allesamt nur im ESPN-Player auf offiziellem Weg zu sehen sind: New Mexico Bowl, Las Vegas Bowl, der Bowl mit dem gigantischen Namen Famous Potato Idaho Bowl und New Orleans Bowl:

MEZ    BOWL                TEAM 1            TEAM 2
20h    New Mexico          Colorado State    Washington State
21h30  Las Vegas           Fresno State      USC
23h30  Idaho               Buffalo           San Diego State
03h00  New Orleans         Tulane            Louisiana-Lafayette

Damit zu den Previews für diese Spiele; unten habe ich noch eine Liste an Draft-Prospects angehängt.

New Mexico Bowl

Washington State Cougars – Colorado State Rams (Kickoff 20h MEZ)

Washington State (Pac-12, 6-6 Record) und Colorado State (MWC, 7-6) sind zwei nicht alltägliche Teams, die da in Albuquerque aufeinander treffen: Beide waren vor über einem Jahrzehnt ernst zu nehmende Mannschaften, aber es folgte eine Dekade des Grauens für beide. Nun scheinen beide wieder auf dem Weg nach oben.

Bei den Coogs ist der Head Coach ein interessanter Mann: Mike Leach, einst als Genie des gepflegten offensiven Passes gefeiert, dann aufgrund eines bizarren, nie geklärten Zwischenfalls (Stichwort: Faustdicke Maßnahmen gegen einen Spieler, der zufällig der Sohn eines ESPN-Reporters war) bei Texas Tech gefeuert. Leach krempelte bei Wazzou einiges um, und scheint schon wieder so etwas wie eine gescheite Offense beisammen zu haben: Auf QB Connor Halliday ist zu achten.

Auf der anderen Seite hat auch Colorado State einen neuen Head Coach aufzubieten: Jim McElwain, der ehemalige OffCoord von Alabama, wo er Dutzende National Championships gewann. McElwain installierte bei CSU dann auch gleich eine Offense, die von knackigem Laufspiel über den beweglichen RB Kapri Bibbs lebt und ansonsten darauf bedacht ist, möglichst innerhalb von 0.3 Sekunden nach dem Snap den Kurzpass zu werfen.

Beide Defenses sind relativ solide besetzt. Beide Defenses sind aber auch relativ „alt“, d.h. viele Seniors, was auch impliziert, dass da einige Jungs zum Abschluss ihrer College-Karriere endlich mal ein gescheites Bowl-Spiel bestreiten dürfen. Das bedeutet dann hoffentlich auch: Es stehen da motivierte Mannschaften auf dem Feld.

Die Cougars spielen eine wechselhafte Saison: Gegen die richtig guten Teams wurde man abgeschossen, aber dann sind da auch Dinger drunter wie der sensationelle Auswärtssieg bei USC im September (10-7 Sieg), der das Ende von Lane Kiffin einläutete, oder der Sieg über Arizona, oder das Beinahe-Upset über Auburn in den ersten Wochen (nur 24-31 verloren). SRS favorisiert Washington State folgerichtig mit 7.5 Punkten.

Las Vegas Bowl

USC Trojans – Fresno State Bulldogs (Kickoff 21h30)

Eben angesprochene USC Trojans (Pac-12, 9-4) rissen sich nach der Entlassung Kiffins am Riemen und drehten ihr Schicksal verblüffenderweise unter dem wenig bekannten Interimscoach Ed Orgeron noch um, und schlossen mit neun Siegen halbwegs respektabel ihre schon als verkorkst abgestempelte Saison ab. Orgeron galt als extrem beliebt in der Mannschaft, aber Orgeron ist kein geläufiger Name und kein Coach mit Starpotenzial, und ergo ungeeignet für USC, wo sich die Hollywood-Sternchen gerne mal ein Stelldichein bei Heimspielen geben. Anfang Dezember wurde der neue Head Coach Sarkisian (kam aus Washington) vorgestellt, und Orgeron warf frustriert das Handtuch, wird heute Abend nicht mehr an der Seitenlinie stehen. USC ist runter beim dritten Coach diese Saison!

Das lässt wie immer Fragen nach der Lust der Spieler aufkommen. Letztes Jahr lieferte USC eine furchtbare Vorstellung in der Sun Bowl, die aber zugegeben im Nirgendwo von El Paso/TX stattfindet und für die USC-Stars die Hölle sein musste. Las Vegas klingt da schon besser.

Was USC diese Saison auszeichnete, war nicht die nominell gut besetzte Offense, wo der gehypte WR Marquise Lee sich mit diversen Verletzungen plagte, sondern die exzellente Defense: Ich kenne keinen einzigen der Defensive Backs, aber es macht Spaß, den Jungs zuzuschauen. Da wird nicht lange gefackelt, sondern 100% ohne Respekt auf den Gegenspieler gegangen, gepresst, die Incompletion oder Interception erzwungen.

Das ist gegen Fresno State (11-1) wichtig, wo QB Derek Carr („Daves little Brother“) diverse Passrekorde sprengte: 605 Passversuche in 12 Spielen, 71% Completion-Rate, 4866yds, 48 TD, 7 INTs, nur 11 Sacks. Der Senior Carr spielt hier gegen eine exzellente Defense auch um Reputationspunkte für den NFL-Draft; die Frage ist nur, ob besagte Defense auch „um etwas spielt“. Aber auf alle Fälle haben wir damit unser Match-Up to watch.

Ich erwarte eigentlich schon, dass USC die Partie nicht so abschenkt wie letztes Jahr: Vegas ist Vegas, und als berühmteste Football-Uni der Westküste will man sich sicherlich nicht vom Emporkömmling Fresno State verarschen lassen. Für Fresno ist die Lust sicher kein Problem: Diese Jungs gewannen ihren ersten MWC-Titel und können gegen den großen Namen Southern Cal nix mehr verlieren.

USC ist nach SRS mit 7 Punkten favorisiert, und wenn sie sich vor lauter potenzieller Coaches noch auskennen, werden sie das Spiel auch gewinnen.

Idaho Bowl

Buffalo Bulls – San Diego State Aztecs (Kickoff 23h30)

Auf dem Blue-Turf von Boise findet die Bowl mit dem spektakulärsten Namen statt („Famous Potato Idaho Bowl“). Die Buffalo Bulls (8-4, MAC) sind nach SRS mit 6.5 Punkten gegen die San Diego State Aztecs (7-5, MWC) zu favorisieren. San Diego State ist eigentlich ein Stammgast in der Bowl-Season, hatte aber diesmal echte Probleme, sich dafür zu qualifizieren: Zwar putzte man Boise State, aber da sind auch hohe Pleiten drunter gegen zweitklassige Teams aus der FCS.

Es ist ein Duell zwischen zwei schwachen Offenses gegen zwei gute Defenses. Bei Buffalo könnte man auf den gehypten LB #46 Khalil Mack ein Auge werfen, der relativ viele Auszeichnungen bekommen hat und als Kandidat für den Draft gilt (Mack: 10.5 Sacks, 19 Tackles-for-Loss, scheint in vielen Big-Boards unter den 10-15 attraktivsten Optionen auf). Die 3-4 der Bulls soll aber auf relativ breiter Basis Druck ausüben können, eine gute Lauf-Defense besitzen und keinem Quarterback der Welt viel Zeit gestatten.

Bei San Diego State ist dabei auf QB Quinn Kaehler zu achten, der erst im Lauf der Saison zum Starter wurde und den erfolglosen Adam Dingwell auf die Bank schickte. Kaehler ist grundsolide, bringt 6/10 Pässen an den Mann und vermeidet die ganz großen Böcke.

Auch Buffalos Offense ist hauptsächlich auf Fehlervermeidung bedacht: RB Branden Oliver gilt als potenzieller Star in spe, und WR Alex Neutz (947yds, 11 TD) zieht die Aufmerksamkeit im Passspiel auf sich, aber abseits von den beiden hat Buffalo nicht viel zu bieten.

New Orleans Bowl

Tulane Green Wave – Louisiana-Lafayette Ragin’ Cajuns (Kickoff 03h)

“New Orleans Bowl” klingt vielleicht nicht nach einem Hammer von Spiel, aber bei genauer Betrachtung hat die Ansetzung Tulane (C-USA, 7-5) vs ULL (Sunbelt, 8-4) durchaus Flair. Da wäre zum einen die lokale Nähe beider Unis, die aus der Umgebung kommen (Tulane spielte bis inklusive diesen Herbst sogar seine Heimspiele im Superdome).

Da wäre die Erinnerung an die Fans der Ragin’ Cajuns, die in den letzten Jahren stets in Scharen den Superdome gefüllt haben und dieses Abschlussspiel (man ist zum dritten Mal en suite dafür qualifiziert) zu ihrem persönlichen Volksfest gemacht haben. Da ist schließlich Tulane, dieses Team, das man noch fast nie hat spielen sehen, weil historisch gesehen die graueste der grauen Mäuse.

Head Coach bei Tulane ist Curtis Johnson. Er hat diese Mannschaft schon in seinem zweiten Jahr weiter gebracht als fast alle seiner Vorgänger jemals (1998 war man mal ungeschlagen). Kern des Teams ist die m-a-s-s-i-v-e Defensive Line um den 350-Pfund Bolzen NT Chris Davenport und den DT Julius Warmsley, der durchaus ein Kandidat für den Draft sein könnte. Diese DL walzt alles nieder, und da wird auch die traditionell starke Offense von ULL Probleme haben, zumal ULL wohl auf seinen verletzten Starting-QB Broadway verzichten wird müssen.

Die Offense von Tulane besteht prinzipiell aus zwei Leuten: QB Nick Montana, der jüngere Sohnemann von der NFL-Legende Joe, und der Mann mit dem „All-Name Team“ würdigen Namen RB Orleans Darkwa.

Das SRS favorisiert ULL mit 1 Punkt, aber man kann sich gut vorstellen, dass Tulane hier leichte Vorteile besitzt. Motivation, letztes Heimspiel in ihrem Stadion, enthusiasmierte Fans, das liest sich gut. Vor allem liest es sich nach einer potenziell attraktiven Veranstaltung.


Was heute auch noch ansteht: Das Endspiel der Div-II zwischen Lenoir-Rhyne und Northwest Missouri State, ab 18h im ESPN-Player. Lenior-Rhyne (zuhause in North Carolina) gehört zu den kleinsten Unis in den Staaten, die College-Football spielen (ca. 1900 Studenten), und ist erst im zweiten Jahr in der Div-II tätig. Man vertraut auf hart hittende Defense und – (!) – auf die triple option offense, die mittlerweile bis auf wenige Ausnahmen (z.B. Navy, Georgia Tech) selbst in der FBS, der höchsten Ebene des College-Football, eine aussterbende Spezies wird. Der heutige Gegner Northwest Missouri State ist „erfahrener“ auf dem Level der Div-II, spielt zum achten Mal im Endspiel (zuletzt 2009 gewonnen).

5 Kommentare zu “Vorhang frei für die Bowl-Season 2013/14

  1. Ich hab wegen der Prospects ein paar Spiele von Buffalo gesehen. Das ist schon ein Team, dass über Laufspiel und harte Defense kommt. Und die Defense besteht, wie du schon meintest, nicht nur aus Khalil Mack, wie man vielleicht denken könnte. In der Defensive Line sind mir da noch die beiden Seniors Beau Bachtelle und Colby Way aufgefallen, die man nächstes Jahr vielleicht in der NFL wiedersehen wird.

  2. Pingback: Bowl Season 13/14 Tag 1. | NFL Draft

  3. Geiler Auftakt in Albuquerque, NM. Colorado State dreht mit weniger als 3 Minuten zu spielen einen 15-Punkte Rückstand gegen Washington State. TD, Fumble, TD, 2-Point Conversion, Fumble beim Kickoff Return und noch ein Field Goal.

    Schöner kann der Start in die Bowl Season kaum sin.

  4. Spannende Spiele zum Auftakt der Bowl-Season.

    Colorado St – Washington St. Ich fand den Sieg von CSU, so verrückt er am Ende auch zustande kam, verdient. CSU bewegte den Ball flüssiger, und lag eigentlich unverständlicherweise so deutlich in Rückstand. Aber insgesamt beide Offenses mit Monster-Tagen, wobei Washington State komplett eindimensional ist und nur den Luftweg kennt.

    USC – Fresno St. Beschriebenes Matchup „to watch“ entpuppte sich als relatives Mismatch, und QB Derek Carr ohne Groove in dem Spiel. Es wird wohl auch das Geheimnis des Trainerstabs bleiben, wieso man Carr weit über 50x werfen ließ und ich glaube nur 3 oder 4 Laufspielzüge einbaute. USC mit druckvoller Front-Seven, Carr ständig unter Druck, und folgerichtig keine Chance für Fresno State. Fresno muss fast froh sein, nicht in einer BCS-Bowl gelandet zu sein (das wussten wir aber bereits).

    Tulane – ULL. Tolle Atmosphäre mit einem sehr gut gefüllten Superdome (man spricht von 55000 Zuschauern) und zwei hoch motivierten Mannschaften. Am Anfang hatte man Angst um Tulane, das abgeschossen wurde, aber dann riss sich die Defense am Riemen und erlaubte in der zweiten Halbzeit fast nix mehr. Am Ende entschied ein Fehlkick vom Tulane-Kicker (Cairo Santos) aus 48yds. Alle Welt lobte Santos und 48yds ist kein Selbstgänger, aber Santos soll dieses Jahr 4/10 Kicks außerhalb des Superdomes daneben gesemmelt haben.

    Buffalo – San Diego State. Die hoch gelobte Bulls-Defense ließ San diego State in fast jedem Drive in Scoring-Range kommen. Das war enttäuschend schwach. Folgerichtig auch 49 Punkte für SDSU.

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