Sideline Reporter on Tour: Nach der NFL-Combine 2013

Die Entwicklung will es so, dass ich in Zukunft eine hoffentlich regelmäßige Kolumne für das vor kurzem von Walter Reiterer (Football Austria, PULS4) und Christian Gindelhumer gegründete Portal NFL-Crush.com schreiben werde („Sideline Report„). Gestern ist die Debütausgabe des Sideline Reports erschienen, und sie befasst sich mit der NFL-Combine 2013, quasi als Abschluss meiner Combine-Berichterstattung:

Selbst ohne leichte Überzeichnung kann man konstatieren, dass sich der Auswahlprozess für die größten Footballtalente des Landes längst zu einem Multimillionen-Business entwickelt hat, der die US-amerikanische Sportszene über Wochen den Atem anhalten lässt. Der NFL-Draft gilt laut der renommierten Zeitschrift Sports Illustrated als siebtbester Sporttag des Jahres, da ist es nur logisch, dass die Spannung peu a peu aufgebaut werden muss. Der inoffizielle Startschuss hierfür war, eben, die Combine in Indianapolis.

Hier entlang: Sideline Report #1: Nach der NFL-Combine 2013.

Frühstückseier am Dienstag, 26.2.2013

Gestern schneite überraschend die Nachricht rein, dass ESPN America möglicherweise zum Verkauf steht – oder ganz eingestampft wird. Nähere Informationen und Interpretationen der mehrdeutigen Pressemitteilungen von ESPN und BT gibt es bei Allesaussersport. Fix ist noch nix, aber die Zeichen stehen eindeutig auf Abschied.

Sollte ESPN America wirklich schließen, wäre ich traurig. NASN/ESPNA war für mich der Sender. Ich werde nie vergessen, wie ich am in der Nacht nach Neujahr 2007 bei einem Kollegen in Deutschland das Spiel der Spiele, Fiesta Bowl Oklahoma – Boise State, auf NASN guckte und seither nicht mehr von diesem Spiel und diesem Sender loskam. Bye, bye, ESPN America.

Sollte es für das italienische Staatsgebiet ab Herbst keine Möglichkeit mehr geben, College Football zu schauen, werde ich zur Auswanderung gezwungen sein.

Combine am Montag

Der vermeintliche Top-DT Star Lotulelei konnte kurzfristig nicht an den Workouts teilnehmen. Was sich im ersten Moment dramatisch anhörte, entpuppte sich am Ende als relativ harmlose „Dehydration“. Lotulelei kann schon wieder trainieren und wird im Laufe des März die verpassten Trainingseinheiten in diversen Camps nachholen.

Bei den Ends gab es kleinere Enttäuschungen. Damontre Moore hatte einen Tag zum Vergessen, verletzte sich in seiner zweiten Sprinteinheit und schaffte bodenlos schwache 12 Reps mit den 102kg-Hanteln. Möglicherweise fällt da mit Moore nach Jarvis Jones der zweite als sicher vermeldete Top-Draftpick um einige Plätze nach hinten.

Auftritt Björn Werner? Nur halb. Werner soll ebenso keinen guten Tag gehabt haben und wurde als Chris Long für Arme verspottet. Gemessen an Moores Scheißtag dürfte Werner aber noch gut dastehen. Eine dezidierte Analyse zu Werners Leistungen in sämtlichen Drills hat Flo Zielbauer im Hardcount-Blog geschrieben.

Mike Mayock ist ja ein Bewunderer von Oregons DE/OLB Dion Jordan. Jordan mit sagenhaften 4.60sek im Sprint, ließ Mayock zur Aussage, Jordan sei ein „ungeschliffener Aldon Smith“ hinreißen. Vor allem Jordans Antritt ist sensationell. Fast so schnell: Ziggy Ansah, unser ghanaischer Freund, mit 4.63sek. Von Ansah hatten wir aber nix anderes als Super-Stats erwartet. Ansah sah aber in den Linebacker-Drills nicht gut aus.

Der Este Margus Hunt ist dagegen bedenklich nahe am Terminus Workout Warrior: 4.60sek Sprintzeit und gleich 38 (!) Reps für einen Defensive End sind traumhafte Werte. So traumhaft, dass sie Skepsis wecken. Hunt wurde mit 6’8 und 277 Pfund gewogen.

Bei den Tackles sollten für meinen Geschmack vor allem Richardson aus Mizzou und Floyd von Florida Pluspunkte gesammelt haben: Beide wuchtige, antrittsschnelle Athleten mit großartiger Körperbeherrschung. Ich kenne die Spielausschnitte nicht, aber die Grundvoraussetzungen bei beiden sind fantastisch.

Etwas Slapstick gab es dank Iowa States Linebacker A.J. Klein, der in seinem Positionsdrills gleich zweimal auffm Popo landete [GIF]. Bei Manti Te’o war man unisono enttäuscht von seinen 4.82sek im Sprint. Te’os Sprint wirkte seltsam undynamisch, wenn man es mit einigen Spielen am College vergleicht. Ogletree war mit niedrigen 4.62sek besser.

Combine am Dienstag

Die Combine schließt heute mit den Defensive Backs. Glauben wir den Scouts, sind bei den Cornerbacks Dee Milliner/Alabama und Desmond Trufant/Washington die beiden einzigen „sicheren“ Erstrundenpicks, ebenso viele wie bei den Safetys mit Kenny Vaccaro/Texas und Matt Elam/Florida.

Es gibt allerdings einen jungen Safety von der Florida International University – Jonathan Cyprien – dem man zutraut, mit einer pfeilschnellen Sprintzeit (sagen wir: unter 4.45sek) in die Garde der ersten Runde zu schießen. Ohne den Spieler jemals (bewusst) gesehen zu haben, aber man vernimmt Wunderdinge über den Knaben.

Bei Milliner ist zu beachten, dass er eine Hüftoperation hinter sich hat und deswegen vermutlich nicht im Vollbesitz seiner Kräfte sein wird. Krieger Milliner wird trotzdem alle Einheiten außer dem Gewichtstemmen bestreiten. Kollege Xavier Rhodes von der FSU soll dem Vernehmen nach eine eher schlechte 40-Time erwarten lassen, was seinem Ruf als extrem aggressiver press corner an der Anspiellinie nicht schaden sollte; Jacksonvilles Gus Bradley wird da auf seinen neuen Sherman schauen.

Ein ganz großer Name, der heute dabei sein wird: Tyrann Mathieu/LSU, der Honey Badger, der vor eineinhalb Jahren die Welt des College Football mit sensationellen Interceptions und Returns verzauberte und sich nach seiner Drogenkur nun in die NFL wagt. Mathieu gilt als geläutert, was auch immer das bei einem 22jährigen heißen mag.

Ringen ist wohl bald nicht mehr olympisch…

aber die Popularität war nicht das entscheidende Kriterium. Vielleicht haben andere Verbände in der Tat die dickere Brieftasche.

Recap – Combine 2013 am Sonntag

Der Combine-Sonntag mit Quarterbacks, Running Backs und Wide Receivers ist immer ein langer. Weil gesundheitlich leicht in Mitleidenschaft gezogen, hatte ich gestern die Zeit, die Combine im NFL Network über weite Strecken zu verfolgen. Es war eine recht zähe Veranstaltung, was nicht zuletzt an den immer wiederkehrenden Tonproblemen des NFL-Senders lag, der gleichzeitig einen überraschend ruckeligen Stream fuhr. Zäh fand es wohl auch Patriots-Coach Belichick auf der Tribüne.

Wide Receivers

Sprintzeiten! So gute Sprintzeiten, da steht gleich Al Davis aus seinem Grab auf um dreizehn Wide Receiver in der ersten Runde zu draften! Wo man in anderen Jahren bei 4.43 Sekunden ins Sabbern kam, griffen gestern gleich mehrere Sprinter nach dem Skalp des Combine-Rekords von Chris Johnson aus dem Jahre 2008 (4.24 Sekunden über 40yds).

Die 4.25sek waren inoffiziell: Tavon Austin - Bild: NFL-Network.

Die 4.25sek waren inoffiziell: Tavon Austin – Bild: NFL-Network.

Der schnellste von allen war Marquise Goodwin von der University of Texas, ein Olympionike (Weitspringen), mit 4.27sek. Goodwin machte die guten Eindrücke allerdings mit dem einen oder anderen einfachen Drop in den WR-Workouts zunichte. Die andere Superzeit stellte das „gelbe Irrlicht“, Tavon Austin von West Virginia, auf: 4.34 Sekunden. Beim kleinen Slot-WR Austin war auch die Antrittszeit über 10yds stark, und weil Austin ein sehr viel sicherer Fänger ist, strengte Mike Mayock diesen Vergleich an:

Austin is a football player who runs like a track star. Goodwin is a track star who plays football.

Auch Ryan Swope (Texas A&M) fuhr fantastische Werte (4.34) ein, und Swope wird nach seinen 26 bench press reps gleichmal das Label des Workout Warriors übergestülpt bekommen. Den Wert der 40 Time sieht man am Beispiel von Justin Hunter (Tennessee): Hunter kam mit 6kg unter den Erwartungen zur Combine und der gedankliche Sprung zur Vermutung, dass Hunter extra für eine bessere Sprintzeit Gewicht abbaute, ist kein weiter. In wenigen Wochen wird Hunter wieder auf Kampfgewicht sein (Hunter lief 4.44sek). Die Catches von Hunter sollen übrigens nicht überzeugend gewesen sein.

Die drei für meinen Geschmack überzeugendsten Receiver in den Fang-Drills waren Stedman Bailey (WVU), DeAndre Hopkins (Clemson) und Connor Vernon. Mayock sieht in Bailey einen 3rd rounder. Negativ fielen mir Oregon States Markus Wheaton mit Butterfingern und Cobi Hamilton mit zu vielen Drops auf.

Zwei Lieblings Mike Mayocks: Cordarrelle Patterson (Tennessee) lief 4.42sek, was bei dessen Körpermaßen durchaus als sensationell stark angesehen werden kann. Patterson hat alle Voraussetzungen, Patterson hat spektakuläre Videos. Bleibt die Frage, ob der Mann nach nur einem Jahr in der SEC bereits reif genug für die NFL ist. Der andere Liebling ist Robert Woods, erst vor einem Jahr noch als sicherer 1st rounder gehypt, aber mittlerweile fast in der Versenkung verschwunden. Woods sieht optisch wie ein prototypischer NFL-WR aus, lief 4.51sek… kann man wenig an den Tapes und der Combine aussetzen.

Bei Da’Rick Rodgers, so einem Mann mit einer bedrückenden Geschichte abseits des Spielfelds (Stichwort: kann sein Temperament nicht im Zaum halten), kann man auf Basis der Combine wenig zu sagen; das ist einer, den irgend ein mutiges Team zwischen Ende erster und Ende dritter Runde draften wird.

Drei Leute habe ich mir noch notiert: Corey Fuller (Virginia Tech) mit 4.43 Sprintzeit, ein ehemaliger Leichtathlet der erst zwei Jahre Football spielt, bei dem Mayock meinte, sein Schritt sei für einen Wide Receiver fast zu groß. Chris Harper (Kansas State), mit seinen 229 Pfund brutal kompakt gebaut, sieht aus wie ein Runningback. Und Denard Robinson, der Scramble-QB von Michigan, der in der NFL bestensfalls als Receiver eingesetzt werden wird. Robinson lief mit geschnürten Schuhsenkeln eine 4.43sek (IMHO überraschend schnell), aber bei Robinsons zweitem Sprint merkte man ihm ungewohnte Nervosität an. Er sah unsicher aus, zweifelte. Zögerte. Hände und Routenlaufen sind suspekt, aber bei einem tiefen Ball zeigte er starkes Adjustment, lief die zwei seitlichen Schritte und fing den leicht deplatzierten Ball souverän.

Quarterbacks

Mayock sieht aktuell in keinem Quarterback dieses Jahres Material für die erste Runde. Mayock bemängelt nicht nur bei jedem QB das eine oder andere fehlende Attribut. Mayock sieht bei keinem QB, dass er die Defensive Backs mit seinen Augen „manipulieren“ kann, d.h. QBs, die zu schnell und zu lange in eine Richtung starren, werden in der Profiliga locker ausgeguckt. Mayock muss es wissen: Er war bei den Giants selbst ein paar Jahre Safety.

Der überzeugendste von allen soll noch Geno Smith (WVU) sein. Der Tenor war ganz klar: Smith hat alle Würfe drauf, wirft gepflegt tief, aber er ist ein frustrierender Mann, weil er immer wieder horrende Fehler einbaut, tief seine Leute übersieht, bei schnellem Passrush die Nerven wegschmeißt. Er lässt viele Yards auf dem Spielfeld liegen. Smiths Sprintzeit war mit 4.56 erstaunlich schnell für einen Spieler, dem man nicht nachsagt, ein Scrambler zu sein.

Smith war danach in der NFLN-Runde sehr demütig, gab sich selbst „Note C“ (so was wie eine 3 oder 3,5 nach deutschem System), deutete an, wie anstrengend das ewige Kommunizieren mit den Franchises sei. Smith war bei 11 Teams eingeladen, u.a. den Cardinals, Chiefs, Steelers, Raiders, Bengals (!) und Bills. Die Bills halten den achten Pick.

Barkley warf aufgrund seiner Schulterverletzung nicht, aber es kamen Gerüchte auf, dass sich die Arizona Cardinals an dem Mann einen Narren gefressen haben (ARI pick an #7).

Die big arm-Connection mit Tyler Bray (Tennessee) und Mike Glennon (NC State) hat andere Probleme: Bray soll nicht viel gegen seinen schlechten Ruf als arroganter Schnösel getan haben, und Glennon wirft zwar mächtige Bälle, aber eben häufig auch nicht 100%if aufs Kreuzchen auf der Brust. Wenn ich mir zu Glennon noch einen persönlichen Kommentar erlauben darf: Der Mann ist eine Gazelle, wirkt unglaublich gebrechlich mit seinen dünnen Armen und dem schmalen Oberkörper. Mit breiter Brust ins Spiel gehen? Impossbile.

Bei Tyler Wilson (Arkansas), meinem größten QB-Favoriten dieses Jahr, soll lt. Mayock vor allem untersucht werden, wieso er heuer so häufig „Sidearm“ geworfen hat – ein sicheres Zeichen, dass er verunsichert war.

Running Backs

Die größten Stars der Klasse 2013 fehlten. Bei Marcus Lattimore spielte NFLN ein Video über dessen Reha ein. Es gab noch einmal dieses fürchterlich verdrehte Knie zu sehen und ich musste mich kurz abdrehen. Lattimores Heilungsprozess soll besser als erwartet laufen, auch wenn man die riesigen Schnitte an den Knien noch sieht. Es gibt Hoffnung:

Lattimore isn’t a lock to sail through the rest of his rehab or return to full form. But the positive buzz has already started. And it will only take one team willing to take a chance for Lattimore to find his way into the second or third round.

Landläufigste Meinung: Lattimore geht nicht vor der dritten Runde. Auch Lacy von Alabama hatte wegen Fußverletzung keinen Combine-Auftritt. Die anderen Running Backs konnten nicht viel zeigen, weil die 40-Time für Backs ein eher schlechtes Bewertungsmaß stellen (Mayock: Most running backs are quicker than fast).

Montee Ball aus Wisconsin nur mit inoffiziellen 4.62sek. Oregons Kenjon Barner mit 4.44sek trotz schwachem Start. Knile Davis aus Arkansas mit 4.30sek. Auburns Onterrio McCalebb kurz nachdem Mayock auf seine mögliche Topzeit hingewiesen hatte, mit handgestoppten 4.21sek! (was Combine-Rekord wäre)

Ein interessanter Mann könnte „nein, kein Mädel“ Christine Michael von Texas A&M sein: 4.41sek Sprintzeit, spektakuläre Plays aus dem College in Erinnerung, gilt aber als zu wenig durchhaltevermögend und beging am College die Todsünde: Kritisierte seinen Trainerstab via Twitter.

Combine heute

Wir formen uns so langsam ein – wenn auch noch unscharfes – Bild von den Anwärtern. Heute geht es in Indianapolis weiter mit der Defensive Front-Seven, die ich namentlich bereits letzte Woche vorgestellt hatte. Folgende Defensive Ends wurden von der NFL heute eingeladen, auch an den Linebacker-Drills teilzunehmen:

  • Ziggy Ansah (BYU)
  • Keke Mingo (LSU)
  • Dion Jordan (Oregon)
  • Alex Okafor (Texas)
  • Björn Werner (FSU)
  • Damontre Moore (Texas A&M)

Nicht teilnehmen wird heute Jarvis Jones von Georgia. Jones ist der Mann mit der Spiralen Stenose (Wirbelsäulenverengung), und ein Mann mit einer mittlerweile potenziell tragischen Geschichte: Obwohl die Doktoren ihm grünes Licht gegeben haben, dringen schon erste Stimmen durch, die ihm das „Bowers-Schicksal“ androhen, ein Durchfallen lateral durch die Draftboards, weil man im Fehlwuchs ein ernsthaftes Problem sieht. Jones soll in Gesprächen schon sehr resigniert gewirkt haben, was seinen Draft-Status angeht.

Mit dabei, und doch schon abgeschrieben: Sam Montgomery, Defensive End von LSU. Die Gerüchte, dass sein Trainerstab ihn bei LSU längst aufgrund Untrainierbarkeit aufgegeben habe, scheinen in Indianapolis mittlerweile bestätigt worden zu sein. Es soll Teamkollegen und Coaches geben, die offen ihre Abneigung gegen das, was Montgomery so an Einsatz im Training gezeigt hat, zu Protokoll gegeben haben. Da helfen dann auch kein Top-Sprintzeiten mehr.

Recap – Combine 2013 am Samstag

Die freiwillige Pressekonferenz des Manti Te’o brachte prinzipiell drei nennenswerte Erkenntnisse:

  • 20 Teams haben sich zu einem 15minütigen Interview mit Te’ angemeldet.
  • Te’o wird keine rechtlichen Schritte gegen den Kreator der Lennay-Kekua-Gestalt, Ronaiah Tuiasasopo, anstrengen.
  • Te’o war gut vorbereitet, wirkte halbwegs locker und schien erleichtert zu sein, die PK vor einer gewaltigen Medienmeute hinter sich gebracht zu haben.

Auch wenn die Kekua-Sache so schnell nicht von der Bildfläche verschwinden wird, kann man doch davon ausgehen, dass Te’o – sofern nicht noch weitere unangenehme Details ans Tageslicht kommen – irgendwann in der zweiten Hälfte der ersten Runde gedraftet werden wird. Und bis Herbst wird größtenteils Gras über die Sache gewachsen sein.

Die Hosen voll

Was ich noch nicht wusste: Für Offensive Linemen gibt es wenig bessere Dinge als einen fetten Arsch. Zumindest erwähnte Mike Mayock in der von mir beiläufig verfolgten Combine-Übertragung gestern minimum fünfmal die Wichtigkeit von knackigen Hintern („he needs sand in his pants“ usw.), und als der mögliche Top-Guard Jon Cooper einen Drill zur Beinarbeit abwickelte und die Kamera voll von hinten draufhielt, bekam sich Mayock gar nicht mehr ein: Do you see this big butt? He’s able to drop that big butt down. That’s pretty good, man. That’s really good. Look at that: That’s sooo smooth. Smooooooooooooooooth. Mayock fand gar nicht mehr genug ooooooooooooooooo’s für Cooooooooooooooper Oasch, und das sah dann in Bildsprache so aus: Zirka dreißig Prozent des Bildausschnitts wurden von Coopers Dreiviertelhose ausgefüllt.

Erklärung: Ein gut gefüllter Wackelarsch wird assoziiert mit einem niedrigen Körperschwerpunkt und ergo besserer Wirkung der Kräfte beim Schieben und Ziehen in den Schützengräben um die Anspiellinie.

Offensive Line

Viel wurde über die geforderte Vielseitigkeit in der heutigen NFL gesprochen: Offense Liner müssen nicht mehr bloß die alte I-Formation blocken können, sondern zig Lauf-Formationen. Da reicht es nicht, wenn ein Spieler nur in einer „Power“- oder „Zoneblock“-Offense spielen kann.

Viel wurde über das Alabama-Trio gefaselt: C Barrett Jones punktete vor allem mit Redegewandtheit vor den Journalisten und hat das Label „Team-Leader“ aufgesetzt bekommen. OT D.J. Fluker fiel durch 6kg Gewichtsverlust seit dem Jänner auf und wirkte bei den Drills für meine (ungeschulten) Augen sehr schwach. Guard Chance Warmack hatte eine schlechte Sprintzeit (handgestoppte 5.53sek), die aber nicht ins Gewicht fallen sollte, weil die Tapes für Warmack sprechen.

OG „big butt“ Jon Cooper soll ein Supertalent für eine “Zone”-Blockoffense á la Houston oder Washington sein, gilt spätestens seit gestern als Top-15 Pick und möglicher Favorit sogar gegenüber Warmack. Cooper zudem mit viel Kraft: 35x die 115kg gestemmt.

Bei den Tackles war OT Luke Joeckel, von vielen zum Top-Pick gehypt, nicht schlecht, aber er soll nicht beweglich genug sein, um pfeilschnelle Passrusher durch die Innenseite zu verhindern. Mayock gab zu bedenken, dass am College der mobile QB Johnny Manziel diese Schwächen Joeckels kaschiert habe. Als unisono stark wurde der Auftritt von OT Eric Fisher eingeordnet, der schon als dark horse für den Top-Pick gilt.

Ansonsten fielen die Tackles vor allem durch unglaubliche Beweglichkeit auf, die man so in der Häufigkeit noch selten gesehen hat. Oklahomas Lane Johnson sprintete 4.72sek und sah in seinen Bewegungen nun wirklich nicht wie ein klassischer O-Liner alter Tradition aus. Unglaubliche Leichtfüßigkeit. Mayock: Johnsons Tape wurde über die Saison immer besser, überzeugender. Sicherer 1st round pick.

Noch krasser war der mir bis heute völlig unbekannte OT Terron Armstead aus der FCS (Arkansas-Pine Bluff) mit sensationellen 4.71sek über 40yds. Armstead soll schon bei den Allstarspielen im Jänner glänzende Eindrücke hinterlassen haben. Ein vor allem von Mayock extrem intensiv diskutierter Mann war der bärtige Glatzkopf Kyle Long von Oregon. Soll auch irgendwo in Erstrundennähe rumschwirren.

Zwischenfazit lt. Mayock: Mindestens 8 Offense Liner sind sichere Erstrundenpicks. Warmack/Cooper werden beide in den Top-15 gehen, also ungewöhnlich hoch für Guards. Warmack hat Außenseiterchancen auf den Top-Pick. Bei den Tackles könnten Joeckel oder Fisher an #1 gehen.

Tight Ends

Tyler Eifert/Notre Dame mit einer quicken Sprintzeit. Zach Ertz etwas langsamer als erwartet, aber ansonsten as advertised. Man lernte nix Neues über die Tight Ends, höchstens, dass der Außenseiter Gavin Escobar alles mit der Mütze fängt, was bei drei nicht auffm Baum ist.

Zwischenfazit Mayock: Eifert = 1st round. Ertz, Escobar jeweils 1st/2nd round, wobei Ertz auf alle Fälle besser ist als Escobar.

Te’o spricht

[21h13] Daniel Jeremiah (NFL.com-Scout/ex-NFL-Scout): Te’o ist ein grundsolider Spieler; kein Riesentalent oder Superstar wie Willis oder Mayo, sondern grundsolides Material für Ende erste Runde, Anfang zweite Runde.

[21h00] Es war übrigens keine Pflicht-Pressekonferenz für Te’o. Ich tippe, mit dem gar nicht üblen Auftritt hat sich Te’o in der Öffentlichkeit einen eher guten Dienst getan.

[20h51] Größtenteils war es ein „geskriptetes“ Frage-Antwort-Spielchen. Wenig wirklich neues, aber ich nehme ein bissl das Gefühl mit, das auch Mayock angesprochen hat: Ein Team wird Te’o draften, es rinnt ein Haufen Wasser die Etsch runter und beim ersten 3rd-down-Stopp im September ist diese Geschichte für die Fans fast nur mehr eine Randnotiz.

— Hinweis: Im Folgenden Auszüge aus Te’os Statements. Sind keine Transkripte, sondern nur schnell sinngemäß mitgeschriebene Zitate —

[20h43] Zeit nach dem Deadspin-Artikel – es war tough, am schlimmsten als ich von meiner Schwester einen Anruf bekam, dass da auf dem Parkplatz Leute rumhingen. Warum tut man das? Die Leute sollen verstehen, dass wir auch Menschen sind. Jeder macht Fehler. Ich habe gelernt, die Leute zu schätzen, die einem wirklich nahe sind [yadda yadda]… vielleicht waren bei ND zuletzt zu viele Leute in unserer Nähe, weil wir so erfolgreich waren [Anm. hoffe, das habe ich richtig verstande – korsakoff]. Ich hatte Scheiße gebaut, konnte meiner Family nicht mehr helfen – das tat mir am meisten weh.

[20h40] Te’o auf der PK:

Te'o - Bild: NFL-Network.

Te’o – Bild: NFL-Network.

[20h38] Ray Lewis/Ravens – Baltimore wäre sicher ein genialer Ort, die Karriere zu beginnen. Als Nachfolger von Ray Lewis, dem Vorbild für alle Linebacker! Ich glaube, ich kann auch solche Energie, Passion für das Spiel mitbringen; ich hasse zu verlieren fast noch mehr als ich liebe zu gewinnen. Ich gebe immer alles, damit wir gewinnen. Es wäre eine Ehre, in die großen Fußstapfen von Ray Lewis zu treten.

[20h35] Ausblick Draft – ich habe schon mit den Texans und Packers gesprochen. Auf meinem Plan stehen dieses Wochenende noch weitere 18 Teams, ich weiß noch nicht genau, welche. Ich nehme die Interviews als Chance wahr, den wahren Manti zu zeigen. Ich verstehe, dass die Teams Spieler wollen, denen sie vertrauen können. Alle mit denen ich gesprochen habe, haben mich zu dem Hoax-Vorfall befragt. Sie wollen die Wahrheit. Ich habe aber noch keine Rückmeldung aus der NFL bekommen, wie das meinen Status vor dem Draft beeinflussen wird.

[20h34] Aufmerksamkeit und Zeit nach dem Hoax – ich war schon überrascht, wie krass die Geschichte landesweit aufgenommen und rezipiert wurde. Man sieht es auch hier im Saal: So viele Menschen, so viele Kameras. Crazy! Aber es war definitiv enttäuschend, beschämend. Vor allem für meine Familie, deren Name in den Dreck gezogen wurde, das tat weh. Wenn du durch die Einkaufsstraßen läufst und die Leute drehen sich um und starren sich an: Keine angenehme Sache.

[20h30] Leadership – ich habe gelernt, die Dinge, die ich kontrollieren kann, von denen zu unterscheiden, die ich nicht kontrollieren kann. Wohin ich auch immer gedraftet werde, ich werde alles geben um zu gewinnen. Alles andere habe ich nicht unter Kontrolle.

[20h27] Te’o wirkt nicht komplett gelöst, seine Bewegungen sind etwas nervös, aber die Journaille lässt ihn auch kaum aussprechen, ehe die nächste Zwischenfrage kommt. Te’o versucht, zwischendurch immer mal wieder zu lächeln.

[20h25] Hoax und BCS-Finale – es hat mein spiel nicht beeinflusst. Wir haben gegen ein super Team von Alabama gespielt, und wir waren schlecht, ich war schlecht. Wir spielten mit vollem Einsatz, aber es hat nicht gereicht. Hoax war keine Ablenkung für mich.

[20h23] Thema Hoax und Combine – natürlich ist es ein Thema, ich wusste das, aber ich versuche mich hier auf die sportlichen Dinge zu konzentrieren [yadda yadda]… klar hatte ich mir ein anderes Ende der Geschichte erhofft, aber die Dinge sind so verlaufen wie sie gelaufen sind. Ich war 21, 22 Jahre alt, es war eine chaotische Zeit. Ich habe es hinter mir gelassen. Hätte ich es nicht, wäre ich nicht zur Combine erschienen.

[20h20] So viel war selbst bei Tebow vor drei Jahren nicht los im Saal.

[20h15] Die Auslastung im Saal lässt keine Wünsche offen:

Vor der Pressekonferenz - Bild: NFL-Network

Vor der Pressekonferenz – Bild: NFL-Network

[20h12] Mayock: Die PK hat nur für Fans richtigen Wert. Für die Teams wird es wichtiger sein, Te’o in die Augen zu schauen, ihn anzufassen, ein Feeling zu entwickeln von seinem Charakter und dem Umfeld, in dem er sich bewegt.

[20h06] Laut Gil Brandt wird Manti Te’o gegen 20h15 zur Pressekonferenz erscheinen. Das NFL Network will live drauf gehen.

Vor der NFL-Combine 2013: Die W-Fragen

Talking Points

  • Combine allgemein.
  • Wonderlic Test.
  • Combine-Streams.
  • Combine-Teilnehmer.
  • Combine am ersten Tag.
  • Beste Draft-Seiten.

Die NFL ist wieder im Hochbetrieb: Von heute, 20.2. bis Dienstag, 26.2. ist wie alle Jahre NFL-Combine in Indianapolis. Die NFL-Combine ist, kurz gesagt, ein Sichtungs-Trainingslager für eingeladene Anwärter im NFL-Draft 2013. Es ist eine Veranstaltung, die extrem von Stereotypen lebt. Mike Tanier von Sports on Earth hat dazu eine höchst lesenswerte Einstimmung geschrieben:

Es ist nicht alles in den Senkel zu stellen. Der Vorteil der Combine ist, dass die Talente mehr oder weniger unter gleichen Voraussetzungen in verschiedenen Trainingseinheiten vor Scouts ihre Stärken demonstrieren können, dass sie sich mit NFL-Coaches treffen können und medizinisch durchgecheckt werden können.

Etwas detaillierter habe ich das Prozedere letztes Jahr und die verschiedenen Einheiten vor zwei Jahren erklärt. Bei NFL.com erklärt der Draftguru Mike Mayock die verschiedenen athletischen Tests und ihre Bedeutung für den Scouting-Prozess anschaulich: Combine Workouts.

Athletisch könnte ich höchstens noch auf der Skipiste mithalten, aber weil die meisten Footballer Flachlandtiroler sind und Indianapolis an Hügeln nicht viel hergibt, kann ich mich erneut nur in Sachen Wonderlic-Test (Ankreuztest für die Prospects) messen. Mit Schrecken las ich gestern, dass die NFL diesen Test mittelfristig ersetzen möchte und deswegen dieses Jahr einen eigenen Bogen auf die Spieler loslässt – aber nur parallel. Das heißt, es gibt auch diesmal wieder Wonderlic. Der Selbstversuch wie jedes Jahr – diesmal sogar wieder mit adäquatem Ergebnis:

Wonderlic-Test: Der Selbstversuch. Klick mich.

Wonderlic-Test: Der Selbstversuch. Klick mich.

Ob ich mich auch gut als neuer Starting-QB der Jets machen würde? Tipp an alle: Man sollte sich vor Beginn des Tests über Verhältnis Fuß/Yard informieren…

Wo und wie kann ich die Combine schauen?

Der Schedule der Combine 2013 ist auf der offiziellen Seite gelistet. Er ist wieder grob für die verschiedenen Gruppen (Quarterbacks, Running Backs, usw.) wie folgt eingeteilt:

  • Tag 1: Anreise, Vorbereitung zum Medizincheck, Kennenlernen
  • Tag 2: Abnahme der Körpermaße, Medizincheck, Medien-Session, Wonderlic-Test, Vorstellungsgespräche
  • Tag 3: Treffen mit der NFLPA, Wonderlic, Vorstellungsgespräche
  • Tag 4: Workouts, Abreise

Es beginnen heute die Special Teamer, Tight Ends und Offensive Line mit ihrem „Tag 1“. Ab morgen sind dann die Offensiv-Skillplayer dran (QB, RB, WR). Ab Freitag die Defensive-Front Seven. Ab Samstag dann die Defensive Backs. Ab Samstag geht es dann mit den TE, Special Teams und Offense Line mit den Drills los. In den vergangenen Jahren war es beim NFL-Network Usus, die Combine gratis live zu streamen, auch für uns Europäer: NFL Network – Combine live.

Für Besitzer des Gamepasses dürfte es 24/7 Coverage im Livestream des NFL-Networks geben, mit sehr viel Mike Mayock.

Wer ist da überhaupt dabei?

333 Athleten, die offiziell von der NFL dazu eingeladen wurden. Die Liste der Geladenen dieses Jahr kann man hier einsehen: Combine Participants. Wie im letzten Jahr spricht man auch diesmal ein bisschen Deutsch, denn mit dem uns schon bekannten Defensive End Björn Werner ist einer der Superstars dieses Drafts ein Junge aus Berlin. Werner wird am Freitag anreisen und seine Workouts am Montag absolvieren.

Normalerweise lädt die Combine die aussichtsreichsten und besten Athleten zur Combine ein. In diesem Jahr allerdings gibt es einen prominenten Abwesenden auf der Liste: Der Mann, den viele zum Top-Draftpick hochjazzen – Florida States Cornerback Leon Sandcastle:

Los geht es heute mit den Offensive Linern und den Tight Ends; diese werden ihre Workouts dann am Samstag absolvieren. Bei den Offense Tackles ist mit Luke Joeckel von Texas A&M auch schon der erste mögliche Konkurrent für Sandcastle auf dem Weg nach Kansas City (hält den #1-Pick) dabei. Joeckel gilt als „sicherer Pick“, aber viele schauen gern dran vorbei, dass Joeckels Quarterback Manziel hieß und beim ersten Anflug von Druck sofort losscrambelte und die Offense Line damit besser aussehen ließ als sie womöglich war.

Drei weitere Spieler kriegen einigermaßen guten Buzz: OG Chase Warmack von Alabama, den manche als dominantesten Spieler im kompletten Draft sehen, OT Eric Fisher von der kleinen Central Michigan University, der einst kaum Stipendien angeboten bekam und nun ein möglicher Top-10 Pick ist, und TE Gavin Escobar von San Diego State. Escobar, von den meisten als drittbester Tight End der 2013er-Klasse gesehen, gilt als unsauberer Blocker, aber seine Fanqualitäten sollen die Erwartungen übersteigen.

Zuckerle: Die besten Draft-Seiten

Die Draftmaterie ist faszinierend und übt auf mich seit vielen Jahren einen ganz besonderen Reiz aus. Das Internet ist voll von Scouting-Seiten, aber ich würde schätzen, dass 90% des Stuffs zum Draft im Netz aggregiert und abgeschrieben von den Big Cows im Draftnik-Lager ist. Ich habe fünf Favoriten, die mich fast vollständig abdecken:

  1. Mike Mayock [Videos][Artikel]. Halbgott.
  2. Matt Waldman Rookie Scouting Portfolio. Hat nur Skillplayers, aber die Analysen sind richtig stark.
  3. Videoarchiv von Draft Breakdown. Ich kenne deren Analysen nicht, aber die Zusammenstellung der vielen hundert Scouting-Videos ist beachtlich und sehr nützlich, um sich selbst ein paar Eindrücke von einzelnen Prospects zu verschaffen.
  4. Draft Insider von Tony Pauline. Pauline ist exzellent verlinkt in der Szene und hat viele News zu verschiedenen Anwärtern.
  5. Google Docs – ein mir unbekannter Freak hat dort eine riesige Tabelle zu allen wichtigen Zahlen rund um die Draftees gebastelt, und in der Kopfzeile gibt es unter News & Notes noch Links bis zum Abwinken (wie gesagt, man muss bei den meisten entweder vorsichtig sein, oder sie haben eh nur von Mayock und Co. abgeschrieben). Das Geilste ist aber das Textfeld unter der Tabelle, wo zu über 800 Draftees Informationen (allerdings sind die Scouting-Reports teilweise von zweifelhafter Qualität) stehen, die über tausend Word-Seiten füllen. Vui Spaß.

Letztes Jahr stieg Greg Cosell von NFL Films mit sagenhaft guten Scouting-Reports in den Himmel der Draft-Freaks auf, aber Cosell (auch bei ESPN) produziert seit einem dreiviertel Jahr nur noch diverse Podcasts und schrieb schon lange nix mehr – leider. Wenn Cosell wieder schreibt, bitte sofort melden.

Das Scouting Department der National Football Post hat mittlerweile mit dem ehemaligen NFL-Scout Russ Lande einen neuen Leiter, nachdem der starke Wes Bunting abgewandert ist. Lande fällt bisher durch extrem unkonventionelle Rankings auf und auch die Ausführlichkeit der Scouting-Reports ließ dort leider nach. Bei Lande muss man noch abwarten, ob er ein „Anti“ ist oder die Rankings bloß noch nicht aktualisiert sind. Die ewigen Jungs von Ourlads haben auch meist ganz gute Scouting-Reports; da sind ehemalige Scouts am Werk, zu deren Einschätzung man Vertrauen haben kann, dass da wenig Aggregiertes dabei ist. Ourlads ist schon seit den Achtzigern im Business, und ein klein bissl sieht man das an deren Aufmachung.

Schließlich noch ein deutsches Blog: Roman John von Der andere Footballblog übt sich ebenso im Scouten und leistet seit Wochen bewundernswerte Arbeit mit mehreren Absätzen zu allen Top-Prospects auf allen (?) Positionen. Roman John ist als realmaschemist unterwegs, und war auch auf Sideline Reporter bereits als Gastautor aktiv.

Die Unbekannte: Marcus Lattimore, Running Back

Eine kleine Storyline des NFL-Drafts 2013 wird die Runde sein, in der der Running Back der South Carolina Gamecocks Marcus Lattimore gedraftet werden wird. Lattimore ist der bei weitem größte Name in der heurigen Klasse der Ballträger, gilt nach seiner katatrophalen Verletzung von Ende Oktober aber maximal als Dritt- oder Viertrundenpick (Mayock sah in ihm zuletzt eine 3rd Rounder).

Lattimore bei bester Gesundheit: Megastar. Genialster Running Back neben Adrian Peterson, Jamaal Charles und vielleicht noch Lamichael James, den ich in meinem Leben bisher live gesehen habe. Kräftig, physisch, schleift jeden Tackler drei Yards mit sich, fällt immer nach vorn. Führungsspieler der feinsten Sorte sein.

Leider ist Lattimore nach zuletzt zwei Kreuzbandrissen en suite nicht „bei bester Gesundheit“. Lattimore war bereits zu Beginn der abgelaufenen Saison im College Football nur mehr ein Schatten der Sensation der Jahre 2010 und 2011. Dann kam der 27. Oktober. Beim Gedanken an die Szenen nach seiner letzten schweren Verletzung muss ich immer noch schlucken:

Viel, viel, viel bitterer war die erneute Verletzung von RB Marcus Lattimore. Ich poste aus Pietätsgründen kein Video, aber bei Lattimore dürfte den Eindrücken nach nicht bloß ein Kreuzband gerissen sein. Da ging gestern ein potenzieller Top-Draftpick den Bach runter, entsprechend emotional war Lattimores Familie, waren Lattimores Teamkollegen, und entsprechend könnte die Diskussion, dass für Running Backs das College nur drei verlorene Jahre und zusätzliches Verletzungsrisiko bedeuten, wieder an Drive gewinnen.

Der Moment, als Lattimore unter einem Handtuch vergraben aus dem Stadion gefahren wurde, hatte aber etwas Ergreifendes. Das komplette Gamecock-Team plus drei Viertel vom Gegner verabschiedeten Lattimore persönlich, ein Stadion mit Standing Ovations und Einblender von einem weinenden Lattimore-Clan: Eine solche Wertschätzung und Mutzusprechung sieht man lange nicht alle Tage.

Es war nicht bloß ein Kreuzband gerissen, sondern gleich deren drei. Es werden Analogien zu McGahee anno 2003 hergestellt werden: McGahee konnte sich unter Aufsicht von NFL-Ärzten gut erholen, aber alle seine Versprechen nie gänzlich einlösen.

Lattimores Aktien sollen aber nicht aussichtslos stehen: Dr. James Andrews – der „RG3-Andrews“ – kündigte angesichts des ausgezeichnet verlaufenden Heilungsprozesses an, Lattimore werde „die Welt schocken“:

After his devastating dislocated knee and torn knee ligaments in October, Lattimore, considered a certain first-rounder before the injury, is still in recovery mode. His surgeon, James Andrews, told Lattimore recently that he’s going to shock the world. „I hear he’s working out great,“ said Mayock. Lattimore believes he’ll be healthy enough to start the 2013 NFL season. Is he’s a fourth-round minefield pick? Or might some team desperate for a back go for him a round earlier — or even late in the second round?

In der am Mittwoch beginnenden NFL-Combine 2013 wird Lattimore nur als Interviewpartner für die Teams auftreten.