Super Bowl 2012, T-minus 2: Taktische Analyse New England Patriots v New York Giants

Die unzähligen Storylines rund um diesen Super Bowl spielen in diesem Artikel keine Rolle. Dazu gibt es morgen und übermorgen mehr hier und auf den anderen bekannten Seiten die volle Dröhnung. Jetzt steht nur der taktische Aspekt im Fokus. In medias res.

Patriots Offense / Giants Defense

Das Herzstück der Giants-D ist ohne Frage der Pass Rush. Mit Justin Tuck, Osi Umenyiora und dem “Haitian Freak” Jason Pierre-Paul haben sie drei mehr sehr starke Pass Rusher. Zusätzlich haben sie in OLB/DE Matthias Kiwanuka und DT/DE Dave Tollefson zwei Leute, die auch auf den Quarterback gehen können und damit den Großen Drei so viele Pausen geben können, daß sie auch im vierten Viertel noch topfit sind.

Wie viel Angst New England vor dem Pass Rush hat, war sehr gut im Spiel der Woche 9 zu sehen, als die Patriots 23 Snaps mit sechs oder gar sieben Offensive Linemen gespielt haben. Der sechste O-Liner war dabei in der Regel Rookie Nate Solder. Sebastian Vollmer hat dabei auf seiner angestammten Right Tackle Position gespielt und soll höchstwahrscheinlich auch für den Super Bowl fit sein. Ob er startet und Solder nur den Big-TE/Extra-OL spielt oder Solder startet und Vollmer reinkommt, wenn Solder auf TE geht, kann man bei den Geheimniskrämern und Überraschungskünstlern Belichick/Dante Scarnecchia (OLine-Coach) nicht seriös vorhersagen.

Neben dem Mittel Personnel wird die zweite Variante, um den Pass Rush einzubremsen, wohl wieder TE Rob Gronkowski mit “Chips” gegen die DEs sein. Dabei gibt er dem gegenüberstehenden Verteidiger erst mal einen kräftigen Schubser mit, bevor er seine Route läuft. Das hat schon gegen Terrell Suggs im AFC Championship Game sehr gut funktioniert. Als Special kann Gronkowski auch bei einigen Spielzügen überhaupt keine Passroute laufen, sondern nur mit einem Offensive Tackle einen Defensive End doppeln, um dann ein paar Spielzüge später genau das anzutäuschen und nach längerer Zeit sich doch noch frei machen, in der Hoffnung, daß die Verteidiger sich um alle anderen kümmern, ihn aber außer acht lassen.

Die G-Men werden höchstwahrscheinlich durchgängig Nickel-D spielen. Je nach Down und Personnel meistens mit den drei Safeties Kenny Philipps (tief als Free Safety) und Deon Grant sowie Antrel Rolle als Strong Safety oder in einer Linebacker-Position. Wenn die Pats bei langen dritten Versuchen nicht mit ihrem gewohnten 2WR-set mit Wes Welker und Deion Branch spielen, könnte auch Rookie Prince Amukamara einige Snaps als Nickelback bekommen. Der hat zwar bisher alles andere als überzeugt, aber für einen schnellen Mann wie Chad Ochocinco, Matt Slater oder Hightop Underwood sind die Safeties zu langsam.

Der Gameplan der Giants-Defense sollte so aufgebaut sein, daß er die Outside-WR der Patriots zwingt, sie zu schlagen. Als Blaupause dient einerseits die Strategie von Rex Ryan und Jets-DC im letztjährigen Spiel und andererseits die Strategie von Cowboys und Steelers in dieser Saison. Das läuft darauf hinaus, daß der mittige Teil des Feldes hinter der Line of Scrimmage von mehr Verteidigern zugestellt wird als gewöhnlich. Kenny Philipps sollte der einzige Safety sein, der sich um die “Tiefe des Feldes” kümmert, Rolle und Grant dagegen relativ nah an der LOS agieren. Da die Patriots meistens in ihrem 2WR/2TE/1RB-Set spielen und weder der RB noch das dreiköpfige Monster Wes Gronkandez sich allzu weit von ihrem Quarterback entfernen, ist “die Mitte vollstellen” ein probates Mittel.

Zwei Dinge gibt es bei dieser Strategie zu beachten. Einerseits Tackling und andererseits tiefe Bälle. Wes Gronkandez dürften dieses Jahr die Rekorde für Broken Tackles und Yards after the Catch mindestens verdoppelt haben. Selbst wenn sie einen Ball nur zwei oder drei Yards hinter der Line of Scrimmage fangen, machen sie oft trotzdem noch 12 Yards draus. Nun sind die LBs und Safeties der G-Men gute Leute, aber lange kein so diszipliniertes und “technically sound” Kaliber wie Baltimore oder San Francisco. Einige Big Plays vom großen bösen Gronk und Aaron “YAC” Hernandez nach broken tackles sollten drin sein.

Der andere Punkt ist der tiefe Ball. Wenn man so massiv die Mitte zustellt und außen 1-gegen-1 spielt mit nur einem tiefen Safety spielt, gibt es immer wieder Möglichkeiten für die lange Bombe. Corey Webster, heimlich zu einem der besten Cover Corners der Liga avanciert, dürfte sich exklusiv um Wes Welker kümmern. Das heißt, die Herren Branch/Ochocinco/Underwood/Slater spielen gegen Aaron Ross. Auch ein fähiger Mann, aber niemand, nach dem man eine Insel benennen würde. Wenn ich wetten müßte, würde ich ein paar Taler auf einen TD von Mr. Ochocino setzen. Oder auf einen TD von Solder in der Redzone, wenn sich alles auf die drei üblichen Verdächtigen konzentriert.

Das Laufspiel wird auch eine Rolle spielen, aber keine besonders große, wenn die Giants die Box zustellen. Die größten Möglichkeiten wird es geben, wenn Big Blue mit ihrem Nascar-Package (3 oder 4 DEs in der Linie) aufläuft. Nur sollte sich New York nicht zu sehr auf das Paßspiel konzentrieren, denn dass die Patriots auch ganz patent laufen können, wenn überhall nur Defensive Backs rumstehen, haben sie immer wieder gezeigt.

Giants Offense / Patriots Defense

Die Giants brauchen sich gar keinen besonderen Gameplan zusammenbasteln. Für sie geht es nur um Execution, Execution, Execution. Mit ihren drei starken WRs Hakeem Nicks, Mario Manningham und Victor Cruz sollte sie gegen die Patchwork-Secondary der Patriots immer wieder gute Möglichkeiten bekommen. Nicks ist zu stark für jeden CB, den New England gegen ihn stellen könnte, sei es nun Kyle Arrington, Sterling Moore oder Devin McCourty.

Der beste unter den Dreien dürfte derzeit sogar noch Arrington sein. Das könnte ein spaßiger Abend für Manningham und Cruz werden, wenn sie als Gegner Moore oder gar Julian Edelman haben. Zumal gerade Cruz sich im Laufe der Saison von einem “ab-und-zu-mal-ein-big-play-WR” zu einem sehr konstanten und zuverlässigen Ballempfänger entwickelt hat. In den ersten Wochen der Saison hatte er immer wieder ganz furchtbare Drops und Fumbles, die seine guten Plays oftmals wettgemacht haben. Das passiert ihm jetzt kaum noch.

Neben den Großen Drei sind auch die Tight Ends Jake Ballard und Travis Beckum Männer mit sicheren Händen. Nur sollten die, noch mehr als die Tight Ends der Patriots, mit Hilfe in Pass Protection beschäftigt sein. Auch wenn Eli Manning einer der besten QBs under pressure ist, so sollte doch alles dafür getan werden, daß er nicht so böse vermöbelt wird wie gegen die 49ers im NFC Championship Game.

Die größten Schwachstellen in der Protection sind LT David Diehl und RT Kareem McKenzie. Beide sind nur noch ein Schatten ihrer früheren selbst. Diehl war auch schon auf die LG-Position abgeschoben worden, nur musste er zurück, nachdem sich Will Beatty verletzt hat. Beide leiden vor allem unter ihrem Alter und ihrer nachlassenden Athletik. Glücklicherweise für die G-Men haben die Patriots nichts die besten Outside Rusher der Liga. Der mit Abstand beste, Andre Carter, hat sich vor einigen Wochen auf IR verabschiedet. Die beiden noch verbliebenen, Mark Anderson und Rob Ninkovich haben immer wieder gezeigt, vor allem in den letzten Woche, daß sie gegen Schwache Gegner zwar nicht dominieren, aber immer wieder Zeichen setzen können.

Wichtiger noch werden die Matchups in der Mitte der Linie. Dort spielen die drei schwachen Kevin Booth, David Baas und der geradeso durchschnittliche Chris Snee gegen New Englands 1-tönnige Havoc Crew Vince Wilfork, Kyle Love und Brandon Deaderick. Die haben seit Ende November ihr Spiel auf ein ganz neues Level gehoben und haben mit Gerrard Warren und Shaun Ellis auch erfahrene Backups. Wenn diese dicken Jungs so auftrumpfen wie gegen Baltimore, als vor allem Wilfork gespielt hat wie ein junger Gott, sollte Eli Manning in große Schwierigkeiten geraten. Denn pressure up the gut ist für einen QB viel unangenehmer als Druck von den Außen, dem man meistens mit ein, zwei Schritten nach vorne entgegenwirken kann.

Die Defensive Line in Verbindung mit dem starken Linebacking-Corps um Jerod Mayo, Brandon Spikes und Ninkovich sollte auch in der Lage sein, daß Laufspiel der Giants abzuwürgen. Big Blues Groundgame ist zwar schon seit Wochen nicht mehr so schwach, wie die Zahlen der Regular Season behaupten, aber wenn New Englands Front Seven das nicht in den Griff bekommt, siehts düster aus.

Am Ende wird es auf dieser Seite des Balles so oder so in Elis Händen liegen. Früher, im Super Bowl XLII, war es noch eine Überraschung, daß der “kleine Manning” so gut unter Druck gespielt hat. Heute erwartet man es schon fast von ihm. Er, der allein in dieser Saison sechs (!) 4th-Quarter-Comebacks angeführt hat; der den Rekord für die meisten TD-Pässe im vierten Viertel (15) aufgestellt hat; er, der die Giants in fünf aufeinanderfolgenden Do-or-die-Spielen zu fünf Siegen getrieben hat, vier davon mit zweistelligem Vorsprung, insgesamt mit einem kumulierten Score von 141-67. Wenn Eli das am Sonntag reißt, ist er ohne Frage in der Tom-Brady-Klasse angekommen.

Gewinnt New England, kann man diskutieren, ob Brady Joe Montana als besten Quarterback aller Zeiten überflügelt hat. Nicht mehr zu diskutieren braucht man dann, ob Belichick der beste Coach aller Zeiten ist. Die Giants haben leichte Vorteile, aber am Ende wird das Spiel wohl wie immer beim Aufeinandertreffen von zwei ähnlich starken Teams entschieden werden durch 1) Turnovers, 2) Penalties und 3) Special Teams.

2 Kommentare zu “Super Bowl 2012, T-minus 2: Taktische Analyse New England Patriots v New York Giants

  1. Gronk schubst erst Suggs weg, als ob es eine Ameise wäre und dann blockt er auch noch Ngata 1on1, sodass Green-Ellis direkt zwischen ihm und dem Tackle zum Touchdown laufen kann. Echt Wahnsinn.

    Ich als Patriotanhänger kann nur hoffe, dass Eli so spielt, wie er es die letzten 4-5 Jahre gemacht hat. Konstant ínkonstant, so kennt man ihn. Kann in einem Spiel für 400yards und 4 TDs werfen und im nächsten für 200yards 1 TD und 4 Ints. Das hat sich diese season aber geändert. Trotzdem hatte man auf Grund der Defense eine schlechte Bilanz. Vielleicht erwischt er nach langer Zeit einen schlechten Tag.

    Ein gutes Spiel wünsche ich mir natürlich trotzdem. Vielleicht, dass erst im letzten Viertel Fehler gemacht werden.

  2. Pingback: Eingrooven in die Superbowl-Nacht | Sideline Reporter

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