Laut Sports Illustrated ist der Tag, an dem die erste Runde im NFL Draft abgehalten wird, der siebtbeste Sporttag des Jahres. Und es stimmt: NFL Draft, das hat was. Der bzw. die Tage, an denen monatelanges Sezieren von Jungspunden endet und die 32 Mannschaften ihre Hoffnungsträger für die Zukunft auswählen.
Anders als hierzulande haben die jungen Sportler in Übersee nämlich keine freie Arbeitsplatzwahl. Der Draft ist ein System, bei dem die 32 Mannschaften in der NFL (bzw. 30 in MLB, NBA, NHL) in gestürzter Reihenfolge sieben Runden lang College-Talente auswählen können. In den CBA-Verhandlungen war auch der NFL-Draft eines der Themen. Nicht alle sind damit glücklich. Kartellrechtlich verstoßen die großen Ligen gegen das Gesetz, aber dank zig Kompromissen hält sich der Draft.
Er ist auch ein Garant dafür, dass in den amerikanischen Ligen sportlich erstaunliches Gleichgewicht im Vergleich z.B. zum europäischen Fußball herrscht. Mal ausgeklammert, dass man auch jahrelang Matt Millen an die Front schicken kann, haben jedes Jahr die schwächsten Teams das erste Draftrecht und der Superbowl-Champ das letzte in jeder Runde.
Dadurch und durch die (zumindest theoretische) finanzielle Gleichberechtigung haben die 32 Mannschaften zumindest halbwegs gleich gute Chancen, ein Spitzenteam zu werden.
Draft 2011
Do., 28. April – 1. Runde
Fr., 29. April – 2. und 3. Runde
Sa., 30. April – 4., 5., 6. und 7. Runde
Ein kleines Glossar zum NFL Draft
Allgemein
Draft class – der „Jahrgang“. Heuer sprechen wir von „Class of 2011“.
Rookie – jeder Spieler, ob gedraftet oder nicht, ist, sofern er es in einen NFL-Kader schafft, ein „Rookie“. Für ein Jahr lang.
Vor dem Draft
Big board – das Tableau von Teams, Gurus, Medien oder Fans, in denen die Wertigkeit eines jeden Spielers angegeben. Sozusagen die Priorisierung auf Basis von Spielstärke, Notwendigkeit aufgrund von Lücken im Kader und Potenzial des Anwärters.
1st/2nd/3rd/4th/5th/late round grade – Im Big Board kriegen die Spieler auch eine “Wertigkeit” der anderen Art: Ist ein Spieler einen Pick in Runde #2 wert oder warten wir lieber eine Runde, bis er uns in Runde #3 in den Schoß fällt?
Mock draft – sprießen in diesen Tagen und Wochen aus dem Boden wie Unkraut auf den immer grüner werdenden Wiesen. Auch NFL@Spox und Vier Viertel haben schon mock drafts veranstaltet. Es handelt sich hierbei um Prognosen, welche Spieler von welchen Teams gedraftet werden, unter Missachtung von Trades und selten mit einer größeren Präzision als 25% für die erste Runde.
Draft Day
Draft guru – die Experten der großen amerikanischen Zeitungen, Medien und TV-Stationen. Leute, die sich für Halbgötter halten und die man Jahre später immer wieder für ihre horrenden Fehlprognosen teeren und federn könnte. Die bekanntesten sind der eigenartig kultige Mel Kiper (ESPN) und der fachlich ungeheuer bewanderte, jedes Jahr etwas weniger lispelnde Mike Mayock (NFL Network), den ich für den besten von allen halte.
Radio City Music Hall – der Ort des Geschehens. In dieser Halle in New York City findet der NFL Draft statt. Meistens bevölkert von haufenweise Jets- und Giants-Fans, die alles andere niederbuhen und am meisten ihre eigenen Teams.
Draft Prospect – sowas wie ein „Anwärter“. Alle Spieler, die in den Draft gehen, sind sog. Prospects, also Kandidaten.
(Draft) Pick – Das Wahlrecht wird im Jargon „pick“ (analog zum sich etwas aus der Masse herauspicken) genannt.
On the clock – ist die Mannschaft, die den nächsten Pick hat, also als nächstes wählen kann.
#1 overall pick – der erste Spieler, der ausgewählt wird.
1st round draft pick – Ein Spieler, der in der ersten Runde ausgewählt wird.
On the board – ist die Mannschaft, die grad ihre paar Minuten Zeit zum Draften eines Spielers hat.
Off the board – ist ein Spieler, der schon gedraftet worden ist.
Draft day trade – ein integraler Bestandteil des Drafts. Ich gebe dir Pick 17 in Runde 1 im Gegenzug für Pick 13 in Runde 2 und Pick 3 in Runde 4. Oder so. Auch langjährige NFL-Profis sind Tauschwaren, aufgrund der CBA-Situation aber nicht in diesem Jahr.
No brainer – Einem Team mit einer klaffenden Lücke fällt zufällig ein hoch talentierter Spieler in den Schoß, der eigentlich schon hätte vor 15 Picks weggehen müssen. Das ist dann ein no brainer. Nicht zweimal drüber nachdenken, Spieler draften und Sekt ausm Kühlschrank holen.
Steal – ein Spieler, der nach Ansicht der Experten basierend auf seinem Potenzial zu spät gedraftet wurde. Anders gesagt: Ein Schnäppchen.
Reach – Das Gegenteil vom steal. Anders gesagt: Ted Ginn jr.
System quarterback – Quarterbacks, die eine starke College-Karriere hinter sich haben, deren Leistungen aber dadurch geschmälert werden, dass sie in simplen Systemen gespielt haben und in anderen, NFL-artigen Systemen nicht funktionieren können.
Red flag – Spieler mit fragwürdigem Charakter oder Verletzungshistorie in Gelbeseiten-Format. Im milden Fall Koksnasen, Schläger, Diebe, Waffenfans, geldgeile Säcke und im schlimmsten Fall Spieler, die mehr als 1kg Übergewicht mit sich rumschleppen.
Safe pick/safe choice – Spieler, die als sehr reif für die NFL gelten und daher als entsprechend „risikolos“ angesehen werden. Oft verbunden mit der Floskel you can’t go wrong with this guy. Spieler wie einst Matt Leinart 😉
Risk pick/Potential bust – Spieler, denen man bei allem großen Potenzial nachsagt, sie würden in der NFL floppen.
The next Ryan Leaf – die Steigerungsform von „potential bust“. Ein Spieler, meist Quarterback, der ganz hoch einberufen werden soll, der aber als besonders riskanter Pick gilt.
The next Jamarcus Russell – Steigerungsform von „the next Ryan Leaf“.
Mr. Irrelevant – der Spieler, der in der allerletzten Runde als allerletztes ausgewählt wird.
Nach dem Draft
Undrafted free agent – die Spieler, die nicht unter den ca. 250-260 gedrafteten sind, können als Free Agents (sofern irgendwann das CBA autographiert wird) zu jedem Team stoßen. Also alles, was nach Mr. Irrelvant kommt.
Draft grade – die Noten, die nach dem Draft für jeden Pick und jedes Team vergeben werden. Noten, die man spätestens zwei Saisons später getrost die Etsch runterspülen kann. Nicht zu verwechseln mit den 1st/2nd/3rd/late round grades von oben.
Rookie symposium – Fete für alle Rookies ein paar Tage nach dem Draft, wo die Jungs auf die Gefahren in der NFL hingewiesen werden sollen. Klappte besonders gut bei: Pacman Jones oder Aqib Talib, der sogar beim Symposium mit einem zukünftigen Teamkollegen schlägerte.
nette einführung…freu mich schon auf die Vorstellung der Draftees 🙂
weiter so!
Toller Blog!
Eine Frage hätt ich allerdings;
wann genau beginnt der Draft am Donnerstag MEZ, und wann endet er ca.?
Und wie sehr zerrt sich das ganze in die Länge, bzw. macht es Sinn sich den Draft live zu geben?
THX
Die erste Runde findet in der Nacht von Donnerstag (28.4.) auf Freitag (29.4.) statt und beginnt um 02h MESZ.
Die 2./3. Runde findet in der Nacht von Freitag (29.4.) auf Samstag (30.4.) statt und beginnt um Mitternacht.
Die 4./5./6./7. Runde startet um 18h MESZ am Samstag-Abend.
Die 1. Runde zieht dauert schon ziemlich lange (sicherlich bis in die Morgenstunden hinein), denn jedes Team hat bis zu 10 Minuten Zeit für eine Entscheidung. Heuer wird es weniger Trades geben, daher gehe ich davon aus, dass die Veranstaltung etwas (aber nur etwas!) gestrafft über die Bühne geht.
Es gibt halt zahlreiche Einspieler, Interviews und Schalten zu den Draft-Partys der Spieler, anhand dieser Bilder kann man sich schonmal einen Eindruck machen, in welchem Ambiente ein Spieler aufgewachsen ist (z.B. in kürzesten Röcken durch die Gegend laufende Mummies) – und es gibt bei NFL.com die gehaltvollen Analysen von Mike Mayock.
Mal reinschauen, für die, die Zeit haben, ist sicherlich nicht die schlechteste Idee.
weist du auch wo man sich den Draft ansehen kann?
Ich vermut zwar das es iwelche Streams geben wird, aber ist dir was konkretes bekannt?
NFL.com sollte eigentlich live und for free streamen. War zumindest in den letzten Jahren so – und auch die bessere Übertragung als die Tapes von ESPN America.