Thanksgiving-Preview 2012

Das amerikanische Erntedankfest „Thanksgiving“ gehört zu den drei landesweit größten Feiertagen und zum Fest gehört seit Jahrzehnten auch American Football aus der NFL, respektive aus Detroit um die Mittagszeit und aus Dallas am frühen oder späten Nachmittag, je nach Ortslage. Seit einigen Jahren gehört ein drittes Spiel zur Primetime mit dazu, und in diesem Jahr erstmals auf einem großen Network, bei NBC.

Detroit Lions – Houston Texans

Ab 18h30 LIVE bei ESPN America und SPORT1+. Tape ESPNA morgen, 10h.

Der sportliche Wert eines interconference games ist für gewöhnlich mit „beschränkt“ einzuordnen, aber weil CBS (überträgt die Auswärtsspiele von AFC-Teams) per Vertrag eines der beiden Erntedankspiele bekommen muss, braucht es jedes Jahr wenigstens ein AFC-Auswärtsteam. Diesmal also die Houston Texans (9-1), die Mannschaft mit dem besten Record in der AFC, und nur ein weiterer Trupp in einem beinharten Spielplan, den die Detroit Lions in dieser Saison spielen müssen.

Die Detroit Lions (4-6) wirken auf Beobachter wie eine massive Enttäuschung, und es wäre gelogen, wenn ich nicht auch ein klein wenig mehr erhofft gehabt hätte. Stattdessen erlebt man als liebender und leidender Anhänger dieser Mannschaft eine Saison wie im Fegefeuer. Nicht Himmel, nicht Hölle. Aber du weißt nicht, was du erwarten kannst.

Die Lions 2012 sind eine Mannschaft, die in der Lage ist, Giganten wie Green Bay zu kontrollieren (wie am Sonntag, ich widerspreche dabei Kai Pahl vehement) und gleichzeitig beherrschte Spiele doch wieder herzuschenken imstande sind (wie am Sonntag).

Die Mannschaft ist nicht viel besser oder schlechter als in der vergangenen Saison, als sie ebenso monströse Comebacks und glückliche Fügungen brauchte, um Truppen wie Minnesota, Dallas oder Oakland noch einzufangen. In diesem Jahr wenden sich die Fügungen eher gegen Detroit. Die Freak-Show in Tennessee. Die Turnover gegen Chicago. Der Schiedsrichterfehlentscheid vom Sonntag. Fünf von acht Spielen innerhalb eines Scores verloren.

Es ginge trotzdem besser, aber u.a. Verletzungsprobleme sorgen seit Wochen dafür, dass die Kadertiefe nicht bloß bedenklich ausgedünnt wurde: Weil mit RB Best, WR Burleson, LT Backus oder S Delmas erfahrene Eckpunkte in wichtigen Mannschaftsteilen angeschlagen sind oder längere Zeit schon ausfallen, müssen die Youngsters ran – und die Youngsters sind noch nicht alle bereit (gell, Mr. Young sr.?).

Das soll QB Matthew Stafford nicht völlig in Schutz nehmen. Stafford spielt bei eigentlich guter Protection eine Achterbahnsaison mit zu großer Unkonstanz und zu vielen Würfen ins Leere, als dass man ihm eine wirklich gute Saison nachsagen könnte.

So hängt der Angriff – ich wiederhole mich – allein am Tropf des WRs Calvin Johnson, der erneut eine starke Saison spielt (65 Catches, 1117yds in 10 Spielen, Madden-Fluch harhar), aber der nicht alles im Alleingang zu tragen imstande sein kann. Die Jungspunde WR Young, WR Broyles und vor allem TE Pettigrew zeigen Ansätze, aber nicht mehr; man darf gespannt sein, wie lange sich das Front-Office dies anschauen wird. Young wird nach wiederholten disziplinären Problemen heute fehlen, und gilt als sportlich nicht allzu herber Verlust.

Für die schnellen 130kg-Bolzen in der Front Seven der Texans dürfte die Lions-Offense konzeptionell ein gefundenes Fressen sein: Man entsende dem DE J.J. Watt noch einen oder zwei Blitzer aus der zweiten Reihe hinterher, und Stafford muss schneller werfen, als dass Johnson 30m tief gelaufen sein kann oder einer der vielen Rohdiamanten um Broyles oder Pettigrew sich von seinem Gegenspieler gelöst haben kann.

Auf der anderen Seite bieten die Houston Texans eine Offense auf, die ästhetisch nicht mit Stafford/Johnson mithalten kann, aber dank des fehlerarmen QBs Matt Schaub und der seit Jahren hochgelobten Offensive Line methodisch wie der schleichende Tod über eine Defense drüberzufahren imstande ist.

Man sagt den Blockern im System von Head Coach Gary Kubiak nach, sehr intelligent zu spielen, was gegen die häufig stupiden Naturgewalten Suh, Fairley oder Avril nach etlichen ins Leere laufenden Pass Rushern und zwei, drei 20yds-Läufen für RB Arian Foster riecht. Und dann musst du im Backfield immer noch den „anderen“ WR Johnson, Andre Johnson, abdecken.

Klingt alles nicht gut für Detroit – aber: Die Defense ist diese Saison ein eher kleines Problem, hielt Detroit selbst gegen starke Angriffe meistens lange im Spiel.

Dennoch: Ich bin etwas besorgt. Nicht wegen einer potenziell weiteren Niederlage – die Playoffs hatte ich dieses Jahr von den Lions ebenso wenig „erwartet“ wie eine 11-5 Bilanz. Aber die Stimmung in Mannschaft, Trainerstab und auf den Rängen müffelt bereits dezent angefäult; die merkwürdigen, unpragmatischen Moves von Jim Schwartz in den letzten Wochen haben mich aufhorchen lassen. Irgendwo durch die riesigen Gläser des Ford Fields dämmert schon fin de siécle-Atmosphäre.

Ich hänge an Mannschaft wie Trainer genug, dass ich lieber ein weiteres Jahr mit Schwartz in den Abgrund fahre, als bereits diesen Winter eine erneute Generalüberholung in dieser Franchise zu sehen.

Also. In den letzten Wochen war die Halbwertszeit zwischen Opening Kickoff und ersten Buhrufen im Ford Field keine drei Spielminuten. Eine weitere Pleite wird in dieser eh schon verfallenden Stadt Detroit kein gutes Gegengift sein…

Houston mit 10.

Dallas Cowboys – Washington Redskins

Über die Rivalität

Cowboys-Redskins.
Redskins.

Ab 21h LIVE bei ESPN America und SPORT1+. Tape ESPNA morgen, 12h30.

Im zweiten Spiel des Abends sind zwei Franchises aus der traditionsreichen NFC East schon im Verzweiflungsmodus: Dallas (5-5) und Washington (4-6) kämpfen um den Abschluss in einer wie fast jedes Jahr engen Division – und beide sind nicht gerade Muster an Beständigkeit.

Bei den Dallas Cowboys nix Neues, mischt sich doch bei QB Tony Romo seit Jahren auf drei spektakuläre Augenausreißer ein hirntoter Moment – häufig genug in knappen Spielen, sodass Romo für die Massen bereits unverrückbar stigmatisiert bleiben wird. In dieser Saison hatte Romo auch schon seine „Romo“-Momente, allein: Es sind schon verdammt viele gedroppte Pässe und falsch gelaufene Routen von Seiten der Herrschaften WR Dez Bryant, WR Ogletree oder WR Austin mit im Spiel, die zu unnötigen Incompletions und Interceptions führen.

Die großartige Entlastung durch die Running Backs scheint Romo auch nicht zu bekommen, und selbst die in der Vergangenheit ordentlich Protection wackelte heuer mehrfach gehörig. Wird spannend, was Redskins-DefCoord Haslett an Druck Richtung Romo schicken wird – Haslett tendierte heuer häufig dazu, richtige Unwetter zu veranstalten. Verbrannt hat er dabei häufig bloß das eigene Scheunentor (a.k.a. Secondary).

Auf der anderen Seite gruben sich die Redskins nach einem verletzungsbedingten Zwischentief zuletzt wieder gut genug aus der Affäre, um sich in den Power-Rankings mittlerweile in der oberen Hälfte eingenistet zu haben (WAS war eine zeitlang #32 gewesen). Hauptverantwortlich dafür ist vor allem die stabilisierte Defense. Die Offense war immer schon gut.

Es ist jede Woche interessant mit anzuschauen, wie die Shanahans ihre hellste Freude daran haben, jede Woche ein paar neue atypische Plays für ihr Spielzeug, QB Robert Griffin III, zu auszuprobieren. Diese immer noch sehr college-affine Offense ist nicht bloß die hellste Freude zum Anschauen (ich kann mich am Pass für Santana Moss einfach nicht satt sehen), sie ist auch effektiv. Und die Redskins erleben dieser Tage auch das Phänomen „scrambelnder Quarterback macht die Running Backs effektiver“: RB Alfred Morris kann sich phasenweise durch wirklich große Löcher fräsen.

Ich habe am Montag mit einem Cowboys-Fan gesprochen, der überzeugt war, dass die OLBs Ware/Spencer gegen die Offensive Tackles der Skins bestehen können und gleichzeitig das Laufspiel abzuwürgen imstande sind. Voraussetzung: Einer der Inside Linebackers müssen RG3 vom Scrambeln abhalten.

Die Sache hat einen Haken: Mit „Inside Linebacker“ war Ernie Sims gemeint, was Geister der Vergangenheit ruft. Ernie Sims ist ein phantastischer Athlet, aber auch einer, der instinktiv sehr aggressiv auf simple Moves reagiert… missed tackle, ick hör da was trappsen.

Schließlich wird über das Duell Griffin vs. Dallas-Secondary zu reden sein; Dallas’ Defense spielt eine IMHO nicht so üble Saison, aber wenn Ware und Konsorten zu spät durchkommen oder Griffin zu schnell aus der Pocket entfleuchen kann, rieche ich die eine oder andere tiefe Bombe, die aus dieser Partie eine Wundertüte machen könnte.

Dallas trotzdem mit 3.

New York Jets – New England Patriots

Über die Rivalität

Jets – Patriots.

Ab 02h LIVE bei ESPN America und SPORT1+. Tape ESPNA morgen 15h.

Das in der Vergangenheit dem NFL-Network gehörende Thanksgiving-Nachtspiel wird diesmal erstmals von NBC übertragen, und es soll tatsächlich der olle John Madden im Intro die Teams einführen, sowie eine Madden-Trophy für den Spieler des Spiels reaktiviert werden.

Der sportliche Thrill zieht sich bei diesen beiden Teams diesmal insbesondere aus der Tatsache, dass die Jets mit ihren sehr lauten Head Coach Rex Ryan in der Vergangenheit fast immer in der Lage waren, gegen New England über ihre Verhältnisse zu spielen und das Derby eng zu halten.

So auch vor fünf oder sechs Wochen, als die Gang Green ihr womöglich bestes Saisonspiel lieferte und um ein Haar ein kolossales Upset aus Foxboro mitgenommen hätten. Rezept damals: QB Mark Sanchez (!) mal machen lassen – gegen die altbekannten Abwehrprobleme der Pats ein probates Mittel.

Nun haben die Patriots seither den Hünen CB Aqib Talib aus Tampa eingekauft, um mit dessen Manndeckerqualitäten eine aggressivere Defense inklusive Blitzeinschlägen aus der zweiten Reihe spielen zu können – und wenn Sanchez eines nicht leiden kann, ist es eine unruhige Pocket. Sanchez neigt dann schnell dazu, jeden Pass zu überwerfen, respektive seine Tight Ends zu suchen, egal wie gut die Herren Keller und Co. gedeckt sind.

New Englands Angriff ist primär deswegen im Fokus, weil er ohne die beiden Tight Ends Gronkowski/Hernandez antreten muss (Gronkowski verletzte sich am Sonntag beim Blocken für einen Extrapoint – Sachen gibt’s!). Insofern für die Patriots ein Problem, weil sie zwar den Ausfall eines der beiden kennen, aber ewig nicht mehr ohne beide angetreten sind.

Da wird viel Kurzpass-Stuff auf die Herrschaften Welker/Woodhead/Edelmann zukommen, plus eine wenigstens halbwegs adäquate Vorstellung von WR Brandon Lloyd auf den Abwegen ins Herz der Secondary hinein gefragt sein.

Das ganze spielt den Jets natürlich in die Karten, und bei allen Sorgen, die man in New York derzeit hat, so waren Ryan und seine Coordinators doch häufig in der Lage, QB Tom Brady mit wilden Aufstellungen mehr unter Druck zu bringen, als ihm lieb war.

Für New England kommt es also darauf an, die schnellen Pässe früh im Spiel an den Mann zu bringen, um ihre jungen Running Backs ins Spiel zu bringen, und somit noch im ersten Viertel eine glaubwürdige, methodische Offense aufbieten zu können, um die Jets vorsichtiger werden zu lassen.

New England mit 7.

7 Kommentare zu “Thanksgiving-Preview 2012

  1. @ Giganten !
    So , ich setzt dann mal meine Brille auf + jetzt gehts los !
    Ich hab da ein ausgeglichenes Spiel gesehen , wo weder die Lions noch die Packers das Spiel kontrolliert haben ( Time of Possession 30:18 Packers ,Time of Possession 29:42 Lions ) auch was Lauf + Passyard angeht , haben sich beide nichts genommen ! Ausschlagebend für den Sieg der Giganten war , das die Packers in der O-Line ihr Augenmerk in erster Linie auf Bad Boy DT Suh gerichtet hatten den sie fast vollkommen ausgeschaltet haben , dafür konnte sich sein Kollege DT Fairlaye öffters in scene setzen , WR Johnsen machte ein gutes Spiel , aber , nur eine Halbzeit , in der 2 hälfte sah man fast nichts mehr von Ihm + zu guter letzt , wenn du einen QB Rogers hast der dich im letzten Drive in die Endzone führen kann , dann ist es das was es ausmacht ! Ich möchte jetzt auch nicht aufzählen wer bei den Packers alles verletzt war + an Schiedsrichtern hat es auch nicht gelegen !
    MfG
    Die grüngelbe Packersbrille Moser

  2. ein freulichen Thanksgiving an alle,freue mich schon riesig auf redskins auftritt in dallas,hoffe RG3 nimmt die auseinander.

  3. @Moser: Da steht auch nicht „dominiert“, sondern nur den Gegner kontrolliert (was stimmt, Rodgers war zwar effizient, aber nicht die übliche Dampfwalze) bzw. beherrscht (Lions waren über weite Strecken in Führung und hätten das Spiel mit einer korrekt gepfiffenen PI möglicherweise eingetütet gehabt.

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